Am 25. August 2021 um 9 Uhr rückte das Landeskriminalamt Hamburg zu einer Razzia in der Villa Alsterufer 36 in Hamburg Harvestehude an. Sie gehört der Erck Rickmers Gruppe.
Am 25. August 2021 fand eine Razzia bei mehreren Hamburger Reedern statt.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Hamburg wird gegen mehr als ein Dutzend Unternehmen wegen des Verdachts des illegalen Abwrackens dreier alter Schiffe ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte “schriftliche Unterlagen und elektronische Daten sicher, die derzeit ausgewertet werden”.
Die drei Hamburger Schiffe sollen als “illegaler Abfall” an pakistanischen Stränden gelandet sein.
Nach BILD-Informationen soll es sich um die Praktik des Beachings handeln, bei dem es immer wieder zu tödlichen Unfällen der Arbeiter und zu Umweltverschutzungen kommt.
Und so funktioniert Beaching: Hauptsächlich in Indien, Pakistan und Bangladesch, aber auch in der Türkei, werden die ausgedienten Schiffe, die von den Reedereien an Abwracker verkauft wurden, mit mehr als 10 Knoten (18 km/h) auf den Strand (Beach) gesetzt.
An Bord: Öl, Diesel, verseuchtes Bilgenwasser, Asbest. Alles versickert im Wasser und im Sand.
Dann beginnt die oft wochen- oder monatelange Arbeit. Mit Schneidbrennern zerlegen die Arbeiter – darunter viele Kinder – für einen Hungerlohn die Stahl-Kolosse. Der Schrott wird von dubiosen Unternehmern verkauft.
Und die Reeder sparen Millionen für ein umweltgerechtes Abwracken. Nach europäischem Recht gelten Schiffswracks als gefährlicher Abfall, der fachgerecht auf Werften entsorgt werden muss.
Am Mittwochmorgen haben deshalb 70 Ermittler des Landeskriminalamtes Hamburg 7 Büros und Privatwohnungen durchsucht.
Auch eine prachtvolle Villa am Alsterufer hatten die Fahnder dabei im Visier.
Sie gehört der Erck Rickmers Gruppe. Für Erck Rickmers (57), Geschäftsführer und Alleininhaber der Erck Rickmers GmbH & Cie. KG (Nordcapital.com) und früherer SPD-Bürgerschaftsabgeordneter (2011-2012), geht es bei den Anschuldigungen auch um seinen Ruf als Philantroph und Wohltäter.
Die Ermittlungen wurden wegen des Verdachts aufgenommen, er und andere Unternehmer hätten die Schiffe nicht ordnungsgemäß abwracken lassen, sondern sie in den Jahren 2016 und 2017 verkauft – im Wissen darum, dass die Käufer die Schiffe nach Pakistan schaffen, “wo sie auf einen ungesicherten Strand gefahren und dort unter umweltgefährdenden Umständen abgewrackt wurden”, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um die Schiffe MS Florida I, MS Alexandra Rickmers sowie MS E. R. Hamburg.
Gerade baut der Hamburger Reeder Erck Rickmers in unmittelbarer Nähe der Außenalster in der Große Theaterstraße 1 in Harvestehude seine 2020 gegründete Denkfabrik “The New Institute” weiter auf. Namhafte Wissenschaftler aus aller Welt sollen hier demnächst über die wichtigsten Fragen der Gegenwart grübeln und Lösungskonzepte entwerfen.
Nicht weit davon entfernt ist die Zentrale der Erck Rickmers GmbH & Cie. KG in der Villa Alsterufer 36. Um 9 Uhr tauchten hier Ermittler des Landeskriminalamts auf und sichteten Unterlagen.
Frachter E.R. Hamburg
Die Erck Rickmers Gruppe war Miteigentümerin eines der betroffenen Schiffe: Die E.R. Hamburg war ein Frachter für 2.200 Container. 350 Anleger hatten das Schiff Ende der 90er Jahre erworben, ließen es 19 Jahre lang mehr oder weniger lukrativ über die Meere fahren und entschieden sich 2017, es meistbietend zu verkaufen. Die Erck Rickmers Gruppe hielt nur 0,6 Prozent an der E.R. Hamburg, organisierte aber für die Investorengruppe den Verkauf.
Der Zeitpunkt war ungünstig: Der Schifffahrtsmarkt lag darnieder, nur Schrotthändler gaben noch Geld für alte Frachter. Und das Abwracken in Europa ist umweltfreundlicher, kostet aber ein Vielfaches. Also bekam ein nicht-europäischer Käufer den Zuschlag.
2017 wurde das Schiff im ägyptischen Port Said an die neuen Eigentümer übergeben, landete später in Pakistan am Strand, womit die Verkäufer aber nichts zu tun haben wollen.
In einer Erklärung der Erck Rickmers Gruppe heißt es:
Der weitere Betrieb des Schiffes lag nach dem Verkauf ausschließlich in der Verantwortung der Käufergesellschaft.
Die Erck Rickmers Gruppe begrüße es,
wenn Verstöße gegen Umweltvorschriften aufgeklärt werden.
Man sei sich keines Verstoßes bewusst und kooperiere vollumfänglich mit den ermittelnden Behörden. Nach WELT-Informationen wurde in der Zentrale nur ein einziges Schriftstück, das 15 Seiten umfasst, von den Ermittlern ausgewertet.
Frachtschiff Alexandra Rickmers
Ein zweites betroffenes Schiff, die Alexandra Rickmers, gehörte damals zur Rickmers Holding AG aus der Große Bleiche 68 in Hamburg-Neustadt. Die ging im Jahr 2017 in die Insolvenz (Amtsgericht Hamburg, Aktenzeichen: IN 173/17). Alleininhaber und Aufsichtsratsvorsitzender: der Hamburger Reeder Bertram Rickmer Clasen Rickmers (68), der ältere Bruder von Erck Rickmers.
Ob der Verkauf von ausgedienten Frachtern außerhalb von Europa eine “illegale Verbringung von Abfällen ins Ausland” im Sinne des europäischen Abfallverbringungsgesetzes ist, muss nun juristisch geklärt werden. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, drohen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Die Ermittlungen dauern an.
Mehr als 400 Hochseeschiffe sollen allein 2020 an Stränden in Südasien abgewrackt worden sein. Insgesamt geht es pro Jahr um Schiffe im Wert von rund einer Milliarde Euro.
Die internationale Nichtregierungsorganisation “Shipbreaking Platform” prangert seit Jahren Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Krankheits- und Todesfälle sowie Unfälle im Zusammenhang mit der Abwrackung von Altschiffen via “Beaching” und Zerlegung durch Wanderarbeiter an. Nun denn…
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