In Berlin begann am 19. Februar 2024 ein Straf-Prozess gegen drei Verantwortliche (Thomas Entzeroth, Manfred Eschenbach, Andreas Riedel) des 2018 untergegangenen Vermögensverwalters Picam Unternehmensverbund aus Berlin-Schmargendorf und Zug in der Schweiz. Der Vorwurf: gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Untreue, Dokumentenfälschungen.
Der Berliner Picam-Unternehmensverbund des seit 2015 in der Schweiz in Zug lebenden Ex-Commerzbank-Bankers Thomas Entzeroth (58) aus Offenbach am Main sammelte für einen Börsenhandel mit Dax-Futures von 2007 bis 2017 rund 321 Millionen Euro ein, davon wurden 205 Millionen Euro ausgeschüttet, der Rest verschwand laut Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin in Taschen der Vermögensverwalter und nahestehender Dritter.
Thomas Entzeroth – Picam Unternehmensverbund
Thomas Entzeroth (58) aus Zug in der Schweiz gehörte nicht nur zum Management der Berliner Maklerfirma Picam Unternehmensverbund, er war auch Chef der Schweizer Piccor AG, die bis einschließlich 2016 die Kundengelder mit Brokern arbeiten ließ und 2017 in luxemburgische Piccox-Zertifikate der Liechtensteiner Vermögensverwalterin VARIAN AG wandelte, deren Chef Entzeroth ebenfalls war.
Gomopa.io sprach mit einem Zeugen, einem Vertriebler, dem vom Landeskriminalamt Berlin angekündigt wurde, dass er auch geladen werde. Dieser Zeuge belastet jeden der drei Angeklagten schwer. Der Zeuge bestätigte: „Ich habe noch kein Datum, aber meine Ladung kommt bestimmt.“
Thomas Entzeroth – Prozessauftakt vor dem Landgericht Berlin
Der Hauptangeklagte, Initiator Thomas Entzeroth (58), ist einschlägig vorbestraft. 2005 wurde Entzeroth am Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt.
Beim diesmaligen Prozessauftakt vor dem Landgericht Berlin 1 soll er nur die Mundwinkel verzogen und zu den Vorwürfen geschwiegen haben, berichtet Handelsblatt-Reporter Lars-Marten Nagel in seinem gut einstündigen Podcast.
Im Verlaufe des Prozesses soll er laut einem weiteren Prozessbeobachter dem Gericht aber erklärt haben, dass er wegen einer neurologischen Erkrankung zwei Mal in der Woche zu den Prozessterminen, die bis in den Juli 2024 im Saal 500 am Landgericht Berlin 1 für Strafsachen in Berlin-Moabit (Turmstraße 91) anberaumt sind, an der einen oder anderen Veranstaltung nicht persönlich teilnehmen könne. Der aus Offenbach am Main stammende Hesse war nach der deutschen Wiedervereinigung nach Berlin und Potsdam gezogen und lebt seit 2015 in Zug in der Schweiz.
Die beiden Mitangeklagten, Treuhänder und Wirtschaftsprüfer Manfred Eschenbach (64) aus Kremmen im Land Brandenburg und der gescheiterte Werbeprofi Andreas Riedel (52, führte seine 1997 gegründete PROPEC Gesellschaft für analytische Wirtschaftsberatung 2018 in die Insolvenz, Amtsgericht Hamburg 67g IN 52/18) aus Berlin-Siemensstadt, der 2015 nach Unterwallenstadt ins bayerische Oberfranken gezogen sein soll, plädieren wohl auf Freispruch. Sie wollen beide nichts von einem illegalen Schneeballsystem mitbekommen haben.
Dem einstigen ehrenamtlichen Richter am Landgericht Berlin Manfred Eschenbach wirft die Staatsanwaltschaft vor, er habe als Treuhänder die Geldströme im Picam-Reich gesteuert und als Wirtschaftsprüfer dem Gebilde Seriosität verliehen. Obwohl Eschenbach gewusst haben soll, dass die Renditen nicht erzielt wurden, habe er schriftlich Renditen zwischen 14 und 30 Prozent im Jahr bestätigt.
Einer seiner Anwälte konterte: Eschenbach habe lediglich „berufstypische, objektiv neutrale Handlungen vorgenommen“. Daraus könne nicht auf strafbares Verhalten geschlossen werden.
Der dritte Angeklagte Andreas Riedel soll laut Staatsanwaltschaft fiktive Picam-Reportings für die Anleger erstellt haben. Diese Art Kontoauszug – verschickt einmal im Quartal – ließ viele Geldgeber ruhig schlafen. Nebenher soll Riedel für Entzeroth organisatorische Arbeit gemacht, Anleger eingeworben und den Vertrieb mitgesteuert haben. Die Anklage lautet auf „Beihilfe“ zum Betrug.
Sein Anwalt konterte ebenfalls: Es gebe keinen Beweis, dass sein Mandant „wissentlich in das Schneeballsystem eingebunden gewesen war“.
Das Gericht will 100 Zeugen hören, darunter nicht nur geschädigte Anleger, sondern vor allem Vertriebler.
Einer dieser Vertriebs-Zeugen zeigte sich gegenüber GoMoPa.io am Telefon „ziemlich sicher“, dass Eschenbach und Riedel gewusst haben sollen, dass es sich um eine linke Geschichte handeln würde.
Picam Unternehmensverbund, Piccor AG, Varian AG
3.000 Anleger, meist Besserverdiener wie Ärzte oder Profifußballer, investierten von 2007 bis 2017 ab einer Mindestanlagesumme von 50.000 Euro in einen angeblich automatisierten Börsenhandel mit DAX-Futures über die Schweizer Piccor AG mit einem selbst entwickelten Computer namens Forans und in luxemburgische Piccox Securitisation-Zertifikate der Varian AG aus dem Fürstentum Liechtenstein.
Beide Produkte (das Vermögensverwaltungsmandat der Piccor AG und die Piccox-Zertifikate) entpuppten sich als mutmaßliches Schneeballsystem. Laut Staatsanwaltschaft wurden 321 Millionen Euro eingesammelt. Davon sollen rund 205 Millionen Euro an Altanleger ausgezahlt worden sein, um das System am Laufen zu halten. Die ersten 2.000 Anleger haben also tatsächlich die wahnsinnig hohe Jahresrendite von 20 Prozent ausgezahlt bekommen. Die letzten 1.000 Anleger schauten angeblich in die Röhre, erhielten nichts. 11 Millionen Euro soll Thomas Entzeroth für sich bar abgehoben haben. Andreas Riedel soll 1,5 Millionen Euro für seine Dienste erhalten haben. Die restlichen 103,5 Millionen Euro sind verschwunden.
GoMoPa.io bat den Vertriebs-Zeugen um Auskunft. Wer sind diese Protagonisten? Welche Rolle haben sie im Picam-System übernommen?