Im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten, der dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net vorliegt, gingen die Ermittler anfang diesen Jahres noch davon aus, dass sich sieben Akteure des Berliner Finanzdienstleisters Picam GmbH aus der Hubertusallee 74 in Schmargendorf im Jahr 2009 zu einer Bande zusammengeschlossen hätten, um “gewerbsmäßig Anlagebetrugstaten in erheblichem Ausmaß” zu begehen. Doch der Picam-Schmu war wohl mehr eine Ein-Mann-Show.
Zwar konnten die Beamten im März 2018 bei einem mutmasslichen Bandenmitglied, dem Leipziger Bankmanager Stephan Blohm und dessen Firmen, 53 Millionen Euro einfrieren.
Blohm wird auch von der Staatsanwaltschaft Berlin beschuldigt, bis zu seiner Entlassung Ende 2016 als geschäftsführender Verwaltungsrat der Luxemburger Von der Heyd Invest an zentraler Stelle die Geldkreisläufe zwischen Konten, Unternehmen und Fonds gestaltet zu haben, über die sich alle Akteure über Gebühren und Provisionen bedient haben sollen.
Bis ungefähr Ende 2016 zahlten die Anleger ihr Investment auf ein Konto des Wirtschaftsprüfers Manfred Eschenbach bei der Berliner Volksbank ein. Statt wie angekündigt mit Dax-Futures zu handeln, seien dann mehr als 72 Millionen Euro in vier Fonds der Gesellschaft Von der Heydt Invest in Luxemburg geflossen, vermutet die Staatsanwaltschaft.
Dennoch waren Bankmanager Blohm, Treuhänder Eschenbach sowie die anderen Beschuldigten wie Rechtsanwalt Benjamin C. Richert aus Lübz in Mecklenburg-Vorpommern als Inhaber der Piccox-Zertifikate-Maklerfirma VARIAN DC Service GmbH in der Hubertusallee 74 und ein Varian-Prokurist aus Aachen oder auch die Schmargendorfer Bauträgergeschäftsführin Andrea Jirschik, die als angebliche Kreditnehmerin fungiert haben soll, sowie der Schweizer Peter Züllig (Verwaltungsrat der PICCOR AG aus Baar mit den wertlosen Piccor-Schuldverschreibungen) wohl gar nicht in die Einzelheiten des mutmasslichen Zertifikate-Betruges eingeweiht.
Die Finanzermittler des Landeskriminalamts in Berlin gehen inzwischen davon aus, dass Vertriebschef Thomas Entzeroth (52) aus Potsdam hinter zahlreichen Firmen und Strukturen im Picam-Reich steckt.
Ihr Verdacht: Wie ein Marionettenspieler könnte der Vertriebschef diverse Treuhänder und Strohmänner geführt haben.
Nachdem die Auszahlungen letztes Jahr ins Stocken geraten waren, hatte Entzeroth den Rechtsanwalt Benjamin C. Richert beauftragt, am 29. November 2017 bei der Berliner Staatsanwaltschaft eine “Verdachtsanzeige wegen der erkannten Unregelmäßigkeiten hinsichtlich der Anlagesituation von Kundengeldern durch die PICCOR AG und deren beauftragten Vermögensverwalter” VARIAN AG zu stellen.
Der Schuldige für den Auszahlungsstopp – die Piccor AG hatte den 2.300 Anlegern auf ihre investierten 340 Millionen Euro jährlich 30 Prozent Rendite in Aussicht gestellt – sei laut Entzeroth der ominöse Broker Peter Meller mit einer Firma auf Gibraltar. Peter Meller soll angeblich Anlegergelder auf Gibraltar veruntreut haben und abgetaucht sein. Die PICCOR AG habe seine Firma LIT Limited mit der Vermögensverwaltung beauftragt. PICCOR AG-Chef Züllig nannte die Razzia am 5. Februar 2018 in Berlin, Leipzig, München und dem schweizerischen Baar eine “logische Folge unserer Strafanzeige”. Doch der Broker Meller scheint, ins Reich der Phantasie zu gehören. Die Finanzbehörden Gibraltars konnten weder ihn noch seine Firma LIT Ltd. aufspüren.
Ebenso ins Reich der Phantasie gehören wohl die noch bis zum 2. Februar 2018 täglich veröffentlichten Erfolgskurse von teilweise 104 Prozent der Piccox-Inhaberschuldverschreibungen, die Entzeroth als Ersatz für das Vorgängerprodukt Piccor-Inhaberschuldverschreibungen angeboten hatte.
In beiden Fällen konnte das Landeskriminalamt Berlin keinen Handel von Börsentermingeschäften (Dax-Futures) finden.
Es gab zwar zwei Treuhandkonten. Aber…