Der größte Salzhersteller der Welt und international führende Kalianbieter, die K+S AG aus Kassel in Nordhessen, muss nun eine Bilanz-Sonderprüfung über sich ergehen lassen, weil sie ihre eigenen Werte zu hoch bilanziert haben sollen (lässt hier Wirecard grüßen?).
Die Aktionäre reagierten geschockt auf die geplante Prüfung durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e.V., die Aktie fiel um rund 15 Prozent auf 8,27 Euro. Es könnte erst einmal nur über die schlimmstmöglichen Konsequenzen spekuliert werden, kommentierte Analyst Markus Mayer von der Baader Bank die Meldung.
Dabei hat das Management nach einem Selbsttest im letzten Jahr doch bereits selbst festgestellt, dass die Firmenwerte nicht stimmen. Aber scheinbar zu zaghaft und zu spät.
Der Salz- und Düngemittelkonzern K+S AG musste im Herbst 2020 nach eigenen Feststellungen rund 2 Milliarden Euro abschreiben, auch weil sich das Management verschätzt hat.
Die langfristige Kalipreisentwicklung fiel in Wirklichkeit viel niedriger aus. Und die Kapitalkosten sind in Wahrheit viel höher gestiegen, als angenommen.
Das ärgerte und ärgert nicht nur die Aktionäre. Sondern auch die vielen Anleihegläubiger, über die sich der Konzern hauptsächlich finanziert.
Gleich vier Anleihen hat die K+S AG aktuell an der Börse Luxembourg im Angebot, die in naher Zukunft am laufenden Band zur Rückzahlung fällig werden: am 6. Dezember 2021 500 Millionen Euro, am 22. Juni 2022 noch mal 500 Millionen Euro, am 6. April 2023 626 Millionen Euro und am 18. Juli 2024 schließlich 600 Millionen Euro.
Auch Schuldscheine gehören zum Finanzierungsportfolio des Finanz-Chefs Thorsten Boeckers.
Die durch einen K+S AG-Selbsttest festgestellte Wertminderung um 2 Milliarden Euro sei viel zu wenig und viel zu spät erfolgt, findet die
die deutsche Finanzmarktaufsicht BaFin und hat eine Sonderprüfung durch einen unabhängigen Prüfer verlangt.
Die K+S AG teilte am 17. Februar 2021 ad hoc mit:
Auf anlassbezogenes Verlangen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (“BaFin”) prüft die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e.V. (“DPR”) den Konzernabschluss der K+S Aktiengesellschaft (“K+S”) zum 31.12.2019 nebst zugehörigem Konzernlagebericht sowie den verkürzten Abschluss zum 30.06.2020 nebst zugehörigem Zwischenlagebericht.
Die BaFin hat der DPR zum Anlass der Prüfung Folgendes mitgeteilt:
Konkrete Anhaltspunkte liegen vor, weil die im Konzernabschluss zum 31.12.2019 und im verkürzten Abschluss zum 30.06.2020 ausgewiesenen Vermögenswerte, insbesondere das Anlagevermögen, zu hoch bemessen sein könnten…
Der BaFin liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass dieser Wertminderungsbedarf ggf. nicht zutreffend ermittelt und ganz oder teilweise bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfasst werden müssen. Ebenso können weitere Aktivposten von einem Wertberichtigungsbedarf betroffen sein.
Es liegen somit auch Anhaltspunkte dafür vor, dass eine gegebenenfalls erforderliche Fehlerkorrektur gemäß IAS 8 unterlassen wurde.
Diese “konkrete Anhaltspunkte”, die die BaFin hat, wären ein Schlag für die ohnehin schon angespannte Bilanz des MDax-Konzerns.
Die Frage ist aber, so die Einschätzung am 18. Februar 2021 von Olivia Harder vom Frankfurter Finance-Magazin der F.A.Z.-Gruppe:
Hätte K+S diese Entwicklung womöglich schon früher sehen müssen?
Bereits vor einem Jahr berichteten Analysten von Berenberg etwa, dass der fallende Kalipreis dem MDax-Unternehmen langfristig zu schaffen machen könnte.
Berenberg-Analyst Rikin Patel schätzte vor einem Jahr ein:
Im Kalimarkt gibt es strukturelle Schwierigkeiten, und K+S operiert im oberen Bereich der Kostenkurve der globalen Anbieter.
Die Folge: Obwohl die nach Konzernangaben 3,1 Milliarden Euro teure neue Kalimine “Bethune” in Kanada inzwischen eröffnet ist und die Investitionen sinken, wird K+S nach Schätzung der Berenberg Bank in den nächsten beiden Jahren wieder einen negativen Free Cashflow erzielen.
Dass Kapitalkosten steigen würde, war ebenfalls abzusehen, da das Unternehmen vor allem über Anleihen finanziert ist, die Bonität von K+S zuletzt aber gesunken war. Standard & Poor’s stufte K+S zuletzt am 27. Mai 2020 auf B “negativ”. Damit liegt die Bonität im Junkbereich.
K+S kooperiert nun mit den externen Prüfern, sieht aber keine Bilanzfehler.
Die DPR wird die Prüfung nun aufnehmen. Die DPR hat mitgeteilt, dass sie sich vorbehält, die Prüfung auf weitere Gegenstände auszudehnen, soweit weitere Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechnungslegung bekannt werden.
K+S hat der DPR ihre Bereitschaft mitgeteilt, an der Prüfung vollumfänglich mitzuwirken und alle erforderlichen Unterlagen bereitzustellen.
Der Vorstand geht davon aus, die Anhaltspunkte der BaFin entkräften zu können.
Der Düngemittelhersteller ist sich sicher, keinen Fehler bei der Bilanzierung gemacht zu haben:
Der Vorstand ist davon überzeugt, dass die Wertberichtigung ordnungsgemäß und unter Beachtung aller relevanten Rechnungslegungsvorschriften vorgenommen wurde.
Auch der Aufsichtsrat sieht derzeit keine davon abweichenden Anhaltspunkte.
Der Aufsichtsrat habe bereits Gremien und Prozesse aufgesetzt, um die anlassbezogene Prüfung zu begleiten.
Notgedrungen musste K+S AG ihr bestes Tafelsilber verkaufen.
Bereits nach dem Selbsttest Im Herbst 2020 gelang es der Führung von K+S, mit dem Verkauf des Nordamerikageschäfts weitaus mehr Mittel zu erlösen als erwartet.
Der MDax-Konzern hat den Vertrag über den geplanten Verkauf des US-Geschäfts für 3,2 Milliarden Dollar mit Stone Canyon unterzeichnet und erwartet den Abschluss der M&A-Transaktion in diesem Sommer 2021. K+S rechnet mit einem Transaktionserlös von 2,5 Milliarden Euro und einem Buchgewinn in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe. Das Geld kann der hochverschuldete Konzern nun dringender denn je gebrauchen.
Denn unterm Strich verbuchte K+S nach der Abschreibung in den ersten neun Monaten 2020 einen Konzernverlust von 1,9 Milliarden Euro, 2019 stand noch ein Plus von 69 Millionen Euro. Das Eigenkapital, das Ende Juni 2020 noch 4,3 Milliarden Euro betrug, schmolz nach der Abschreibung auf 2 Milliarden Euro ab. Damit einhergehend sackte die Eigenkapitalquote von 42,5 Prozent auf 26,2 Prozent ab.
Der Verkaufserlös von 2,5 Milliarden Euro verschafft dem Konzern wieder einen größeren finanziellen Spielraum und die nötige Widerstandskraft, um auch längere Niedrigpreis-Phasen am Kalimarkt überstehen zu können. Wenn K+S AG nach der Sonderprüfung nicht noch mehr Werte abschreiben muss. Nun denn…