Mein Urgroßvater wollte ganz sicher nicht, dass Friedrichshafen Schwimmbäder mit dem Geld baut”, erzürnte sich der baden-württembergische Rechtsanwalt, Bauunternehmer und Landwirt Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin (69)
vor drei Jahren im BUNTE-Interview am lodernden Kamin in der Bibliothek seines Renaissance-Schlosses im oberschwäbischen Mittelbiberach, gut eine Autostunde von Friedrichshafen entfernt.
In Friedrichshafen am Bodensee hat sein Urgroßvater, der General und Luftschiffkonstrukteur Dr. Ing. Ferdinand Graf von Zeppelin (geboren am 8. Juli 1838 in Konstanz im Gebäude des Inselhotels; gestorben am 8. März 1917 in Berlin) einen milliardenschweren Schatz hinterlassen: Die Zeppelin-Stiftung.
Die Zeppelin-Stiftung erwirtschaftete allein im letzten Jahr aus ihren Firmen, dazu zählen der Autogetriebe-Weltkonzern ZF Friedrichshafen AG oder der Maschinenverleiher Zeppelin) einen verteilbaren Erlös von rund 107,2 Millionen Euro.
Aber auf die Stiftungsfirmen und auf die Verteilung der Gewinne hat die Adelsfamilie seit 73 Jahren keinen Zugriff mehr.
Weil die Zeppelin-Luftschiffe im 2. Weltkrieg auch als Bomber auf England eingesetzt wurden und die Zeppelin-Werke Verkleidung und Steuerungstechnik für die V1-Raketen gebaut hatten, mit denen 3.000 Zivilisten in London getötet wurden, ordnete die französische Besatzungsmacht (Rechtsanordnung des vormaligen Direktoriums des Staatssekretariats für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns) im Jahr 1947 die Aufhebung der Stiftung an und übertrug das Vermögen der Stadt Friedrichshafen.
Zur Freude der Stadtkasse.
Oberbürgermeister Andreas Brand (55, Freie Wähler) genießt seit seinem Amtsantritt 2009 auch seine Zeppelin-Nebenjobs.
Zwei Tage pro Woche gingen für diese Nebenjobs schon drauf, sagte der OB dem SPIEGEL. Er liebt es, als ZF-Aufsichtsrat und Chefkontrolleur des Maschinenhändlers Zeppelin durch die Welt zu jetten, auf Augenhöhe mit den Großen der Wirtschaftswelt.
Zuhause hat der OB dann leichten Herzens die Spendierhosen an
Während in anderen deutschen Kommunen Schwimmbäder aus Geldnot geschlossen werden, schöpfen die Häfler, wie die Friedrichshafener sich selbst nennen, aus dem Vollen. Als Ersatz für das alte, in die Jahre gekommene Hallenbad entstand unweit des Bodensees das neue Sportbad, für 38 Millionen Euro.
Im Stadtteil Fischbach wurde parallel dazu das bestehende Freibad aufgehübscht, für weitere rund 14 Millionen Euro. Dabei gibt es am Ufer des Schwäbischen Meeres, wie man den Bodensee auch nennt, im Sommer reichlich Badeplätze.
Schadensersatzansprüche wegen fehlender Kita-Plätze wie in Leipzig muss Friedrichshafen kaum befürchten. Dank reichlicher Stiftungsgelder betreibt die Kommune 40 Kindertagesstätten bei 60.431 Einwohnern.
Das Gesundheitswesen sowie Jugend- und Altenheime profitieren ebenfalls vom stetigen Geldstrom aus dem Vermächtnis des Luftschiffbauers. Einkommensschwache Familien können sogar Zuschüsse für Ferienaufenthalte ihrer Sprösslinge beantragen.
Die Freigebigkeit, vor allem aber die Beliebigkeit, mit der Brand und der Gemeinderat ihre Wohltaten unters Volk streuen, bringt Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin in Rage.
Der Schlossherr empört sich: