Die Aufarbeitung der europäischen Bankenkrise nimmt an Fahrt auf. Das Oberlandesgericht München gibt Klägern, die Schadenersatzforderungen gegen das verstaatlichte Bankhaus Hypo Real Estate AG durchsetzen wollen, in einem Musterverfahren recht. Der Bank und damit dem Mehrheitseigentümer, den Steuerzahlern der Bundesrepublik Deutschland, drohen millionenschwere Schadenersatzklagen.
Die Vorwürfe gegen das verstaatlichte Bankhaus HRE sowie den ehemaligen Vorstand Georg Funke (59) wiegen schwer. Das Oberlandesgericht München sah es als erwiesen an, dass Anleger der Hypo Real Estate in den Jahren 2007 und 2008 gezielt über die brenzlige Situation des Unternehmens getäuscht wurden.
Unter anderem habe die HRE am 3. August 2007 eine unwahre Pressemitteilung veröffentlicht, um die desaströse Lage der Bank zu verschleiern. Insbesondere nahm das Gericht unter Vorsitz von Richter Guido Kotschy Anstoß daran, dass die Hypo Real Estate AG dem Kapitalmarkt die hohen bilanziellen Risiken ihrer milliardenschweren Bestände in sogenannten strukturierten Wertpapieren, vor allem solchen auf US-Subprime-Kredite, verschwiegen habe. Zudem soll der Börsenzulassungsprospekt der HRE mangelhaft sein und sich hieraus Ansprüche aus Prospekthaftung ergeben.
Ex-HRE-Chef Georg Funke werden vom Gericht noch weitere Straftaten vorgeworfen. Nach Veröffentlichung der falschen Pressemitteilungen soll er die Bilanzen des Instituts manipuliert und im Anschluss die Aktionäre monatelang über den Zustand der Bank getäuscht haben.
Im Zuge der Krise am US-Immobilienmarkt war die Hypo Real Estate AG, die in großem Stil in sogenannte Suprime-Papiere investiert hatte, in Schieflage geraten.
Es dauerte fast ein halbes Jahr, bis sich der ehemalige HRE-Chef Georg Funke dazu durchrang, den Anlegern die Wahrheit über den Zustand seines Unternehmens mitzuteilen. Am 15. Januar 2008 wurden die Anleger und Aktionäre über die Probleme der HRE informiert. In der entsprechenden Ad-Hoc-Mitteilung hieß es:
Die anhaltende Schwäche der internationalen Finanzmärkte im Zuge der Subprime-Krise in den USA machte eine Neubewertung von Investments der Gruppe in CDOs notwendig. Ein wichtiger Indikator für die Neubewertung war die in den vergangenen Wochen vorgenommene, erhebliche Herabstufung dieser Assetklasse durch Rating-Agenturen. Gemäß ihrer konservativen Bilanzierungspolitik hat die Hypo Real Estate Group im vierten Quartal 2007 eine Wertberichtigung auf das US CDO-Portfolio in Höhe von 390 Millionen Euro vorgenommen. Davon sind 295 Millionen Euro ergebniswirksam, 95 Millionen Euro stammen aus bereits zuvor gebildeten portfoliobasierten Rückstellungen.
Nach Veröffentlichung der Warnmeldung der Hypo Real Estate AG brach der Aktienkurs, der im DAX gelisteten Bank, dramatisch um über 35 Prozent ein.