Deutschlands größtes Wirtschafts-Forschungsinstitut, DIW Berlin, ist in seiner jüngsten Studie am Beispiel Berlin der Frage nachgegangen:
Was passiert mit anderen Wohnungen im Umkreis von 250 Metern, wenn eine Wohnung länger als ein halbes Jahr über die Vermittlerplattform Airbnb.de vermietet wird und somit dem regulären Vermietunbsmarkt entzogen ist?

Das Ergebnis der Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e.V. am 17. Feburar 2021 veröffentlichte, lautet:
Durch Airbnb-Vermietungen steigen in Berlin die Mieten.
Durch eine zusätzliche Unterkunft der Zimmer-Vermittlungsplattform kletterten die Angebotsmieten der umliegenden Wohnungen um durchschnittlich 13 Cent je Quadratmeter, erklärten die Berliner Forscher.
Professor Dr. Tomas Duso, DIW-Abteilungsleiter Unternehmen und Märkte, unterstrich noch einmal:
Dies ist vor allem auf Airbnb-Angebote zurückzuführen, die länger als 180 Tage untervermietet und so dem regulären Wohnungsmarkt entzogen werden.
Demnach verteuert sich eine 100 Quadratmeter große Wohnung in Berlin jährlich um 156 Euro, ein 80-Quadratmeter-Appartement um knapp 125 Euro.
Vom Vermittlungsplattform-Betreiber Airbnb Inc. aus San Francisco in Kalifornien war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Der Airbnb-Effekt ist lokal unterschiedlich stark.
Zwischen den Berliner Stadtbezirken fallen die vom DIW ermittelten Mietsteigerungen aber sehr unterschiedlich aus. Der Effekt je zusätzlichem Airbnb-Angebot reicht von monatlich acht Cent je Quadratmeter im Bezirk Mitte bis 46 Cent je Quadratmeter im Randbezirk Lichtenberg.
Die meisten Airbnb-Unterkünfte werden zwar im Stadtzentrum angeboten. Der Airbnb-Effekt auf die Wohnungsmieten ist hier aber etwas geringer als der berlinweite Durchschnitt.
Das wiederum erklärt Dr. Claus Michelsen, DIW-Abteilungsleiter Konjunkturpolitik, so:
Werden in einem Kiez sehr viele Airbnb-Unterkünfte angeboten, könnten die Nachteile für AnwohnerInnen – beispielsweise nächtlicher Lärm – so sehr ansteigen, dass reguläre Wohnungen weniger gefragt sind.
Eine alternative Erklärung könnte sein, dass die Nachfrage nach Wohnungen im Zentrum so groß ist, dass der Airbnb-Effekt nicht mehr ausschlaggebend ist.
In ihre kausale Analyse bezogen die Ökonomen neben den Angebotsmieten auch Wohnungsmerkmale wie Größe und Ausstattung, Daten zur Wohnlage wie die nächtliche Lärmbelastung und die Nähe zu Bushaltestellen und Supermärkten ein. Zudem nutzten sie monatliche Daten zu den Airbnb-Angeboten in Berlin.
Die jährlichen Berliner Airbnb-Kurzzeitvermietungen sind 1,3fach so hoch wie der jährliche Wohnungsneubau.
Im Jahr 2020 wurden monatlich rund 10.000 Wohnungen vollständig zur Vermietung inseriert. Dies entspricht rund 0,5? Prozent der insgesamt 1,97? Millionen Wohnungen in Berlin. Die Zahl einzeln vermieteter Räume bewegte sich in einer ähnlichen Größenordnung.
Berücksichtigt man auch diese, dann sind etwa 1,2? Prozent aller Berliner Wohnungen dauerhaft oder im Wechsel auf Airbnb gelistet. Verglichen damit ist der Anteil dieser Vermietungsform am Gesamtmarkt relativ gering.
Gemessen an der Zahl neu gebauter Wohnungen erscheint die Größenordnung allerdings durchaus relevant. Im Jahr 2019 wurden in Berlin etwa 19.000 Wohnungen fertiggestellt und neu auf den Markt gebracht. Das Gesamtangebot auf Airbnb entspricht damit etwa dem 1,3-Fachen der jährlichen Bauleistung des Wohnungsmarkts.
Die Politik steuert dagegen.
Kritiker werfen Vermietungsplattformen wie Airbnb schon seit längerer Zeit vor, für Wohnungsknappheit in Ballungszentren und steigende Mieten zu sorgen. Das Land Berlin hat deshalb 2014 das sogenannte Zweckentfremdungsverbot-Gesetz beschlossen, um Kurzzeitvermietung stark einzudämmen. Seitdem müssen sich Vermieter eine Genehmigung holen, wenn sie Wohnraum etwa als Ferienwohnung vermieten wollen.
Am Dienstag (16. Februar 2021) verschärfte der Berliner Senat dies und beschloss eine Registrierungspflicht für Anbieter von Urlaubsunterkünften.
Was hat diese Verordnung gebracht?
Das im Jahr 2014 beschlossene Zweckentfremdungsverbot-Gesetz hat die Kurzzeitvermietung stark eingegrenzt. Infolgedessen wurden auf dem Mietwohnungsmarkt mehr Wohnungen angeboten, wodurch die Mieten etwas gesunken sind.
Studienautor Dr. Michelsen:
Je nach Bezirk kann dies bei einer 65 Quadratmeter großen Wohnung eine monatliche Ersparnis von bis zu 38 Euro ausmachen.
Studienautor Professor Duso:
Die Auswirkung war deutlich, jedoch kurzfristig.
Nach dem Inkrafttreten dieser Regelungen im Mai 2016 sind die Airbnb-Angebote in der Stadt zunächst deutlich um fast 30 Prozent zurückgegangen. Danach stiegen sie aber wieder.
Nachdem im August 2018 die Reform des Gesetzes in Kraft getreten ist, sehen wir wieder einen ähnlichen Rückgang der Inserate auf Airbnb.
Darüber hinaus haben diese Reglungen auch die durchschnittliche Anzahl von Tagen beeinflusst, für die eine Wohnung gebucht werden könnte, und damit die durchschnittliche Verfügbarkeit deutlich gesenkt. Dies war auch ein Ziel des Gesetzes.
Interessanterweise scheint der neue Mittelwert im August 2018 bei einer Verfügbarkeit von etwa 90 Tagen pro Jahr zu liegen, also genau der Grenze, bis zu der auch Zweitwohnungen nach der Gesetzesänderung von 2018 kurzfristig vermietet werden dürfen.
Bedarf es einer weiteren Überarbeitung des Zweckentfremdungsverbots?
Professor Duso:
Das Gesetz scheint mehrere Ziele erreicht zu haben. Die Art von Angeboten und die Anzahl von Tagen, an denen diese Angebote buchbar sind, wurden reguliert.
Ich glaube nicht, dass eine Überarbeitung streng notwendig wäre, obwohl die Anzahl von den auf Airbnb angebotenen Wohnungen und Zimmern weiter zu steigen scheint.
Zudem können Kurzzeitvermietungen auch positive Effekte haben.
Professor Duso:
Beispielsweise kann der vorhandene Raum effizienter genutzt werden, wenn kurzzeitig leerstehende Wohnungen an Dritte vermietet werden können.
Kurzzeitvermietung über Airbnb und ähnliche Plattformen zu regulieren kann also das Wohnungsangebot kurzfristig verbessen. Bei einem vollständigen Verbot würden aber klare Verluste entstehen.
Bei Airbnb Inc. klingelt derweil die Börsenkasse.
Im Dezember 2020 ging das im Jahr 2008 als “Airbed & Breakfast” – also Übernachtung auf einer Luftmatratze mit Frühstück am Morgen – gegründete Unternehmen an die New Yorker Börse.
Der Kurs ist seither um gut 45 Prozent gestiegen. Das Unternehmen, das nichts anderes als eine Vermittlungsplattform im Internet ist, kommt inzwischen auf einen Wert von fast 105 Milliarden Euro – das entspricht in etwa der Marktkapitalisierung von Siemens
Und das alles mit einem höchst umstrittenen Geschäftsmodell. Airbnb macht sein Geld mit Gebühren dafür, dass Anbieter private Unterkünfte zur Kurzzeitmiete anbieten – quasi als Ferienwohnungen oder als Pensionszimmer.
Was mit Luftmatratzen auf dem Fußboden der Wohnung der Gründer Brian Chesky und Joe Gebbia in San Francisco begann, hat sich binnen gut eines Jahrzehnts zu einem Hotelschreck mit Milliardenumsatz gemausert.
Airbnb hat die Art, auf Reisen zu übernachten, umgekrempelt. Der Konzern will auch nach seinem Börsendebüt weiter kräftig wachsen – nicht nur mit der reinen Vermittlung von Unterkünften, sondern auch mit Dienstleistungen aller Art drumherum.
In einigen Regionen wickelt Airbnb auf Wunsch mittlerweile die komplette Vermietung ab, samt Schlüsselübergabe und Reinigung nach Abreise der Gäste – natürlich gegen Gebühr. Berlin ist so etwas wie die deutsche Airbnb-Kapitale. Nun denn…