Schweizer Firmen verlangen für Erinnerungsdiamanten aus der Asche von Angehörigen doppelt so hohe Preise im Vergleich zu Erinnerungsdiamanten der Konkurrenz aus Gegenständen. Dabei können sie nicht einmal beweisen, dass der Diamant tatsächlich aus der Asche der Verstorbenen stammt.
Obwohl renommierte Schweizer Diamantenzüchter lieber die Finger davon lassen, aus Totenasche Diamanten zu züchten, weil der Kohlenstoffgehalt zu gering sei und dieser auch vom Sarg statt vom Körper stammen könnte, verspricht die in der Schweiz lebende Französin Thalissa Nivard aus Menzingen genau das Gegenteil
Die von ihr geführte Firma Lonite AG aus der Bahnhofstraße 21 in Zug “widmet sich ausschließlich der Wandlung von Kremationsasche in Diamanten” und verschickt die Erinnerungsdiamanten in alle Welt.
200 Gramm Asche aus der Urne genügen. Und Lonite impft damit einen mikroskopisch kleinen echten Diamanten und lässt diesen dann wachsen. Die Kohlenstoff-Atome “heften sich dann unter enormem Druck daran und beginnen zu kristallisieren.”
Spitzenprodukt ist ein weißer Diamant: L’Angelo mit 0,25 Karat (4 Millimeter Durchmesser). Er braucht ein halbes Jahr und kostet 2.400 Euro. Sein großer Bruder L’ Angelo mit 2 Karat (8 Millimeter Durchmesser) braucht bis zu anderthalb Jahre und kostet 20.500 Euro.
Zertifizierungen, Schmuckfassungen und Laserbeschriftungen kosten extra und verlängern die Lieferzeit um ein bis zwei Monate.
Die Hälfte des Kaufpreises wird bei der Beauftragung als Vorkasse fällig, der Rest beim Abschluss der Bestellung.
Deutsche und Österreicher dürfen daheim nicht die Asche ihrer Verstorbenen entgegennehmen und können die Asche nicht selbst schicken oder vorbeibringen. Sie müssen daher den heimischen Bestatter bitten, die 200 Gramm Asche zu Lonite in die Schweiz zu schicken.
Thalissa Nivard verkauft eigentlich zusammen mit der Chinesin Lian Guang Kampfsportausrüstung (Martial Arts Equipment) mit ihrer Firma Tenko International GmbH aus Menzingen (Neudorfstraße 8) und hat über die Vermarktung von Sportklamotten sogar ein Sachbuch (Sports brands and the Smart Clothing, 72 Seiten, Verlag LAP Lambert Academic Publisher, gelistet bei Amazon für 34,77 Euro) geschrieben.
Parallel verkauft sie nun auch Diamanten aus Totenasche und hat Firmensitze in der ganzen Welt, darunter angeblich auch in Berlin nahe der Gedächtniskirche (ohne Adresse). Auch den Ort, an dem die Erinnerungs-Diamanten gezüchtet würden, hält sie geheim.
Auf der Homepage Lonite.de heißt es nur:
Das Unternehmen LONITE beherbergt ein weltweit führendes Forschungslabor, welches sich auf die Technologie für Diamantbestattungen aus Asche spezialisiert hat. Bei diesem Bestattungsverfahren wird ein echter Diamant aus Asche von Verstorbenen hergestellt.
Die Geschichte von LONITE begann in einer kleinen Stadt in der Nähe der Alpen, 25 Minuten Zugfahrt südlich von Zürich in der Schweiz.
Als das TV-Magazin Kassensturz vom Schweizer Rundfunk und Fernsehen Srf.ch der Sache auf den Grund ging, erwirkte die Lonite AG zunächst per Gericht ein Ausstrahlungsverbot des sehr kritisch ausgefallenen Berichts. Doch am Ende erlaubten die Schweizer Richter dann doch die Ausstrahlung am 26. Mai 2020.
Kassensturz-Redakteur Peter Basler fand am damaligen Hauptfirmensitz in der prestigeträchtigen Bahnhofstraße 10 in Zürich weder ein Firmenschild noch eine Klingel.
Seltsam für einen Ort, an dem Erinnerungsdiamanten weltweit vertrieben werden.
Bestattungsdiamanten sind populär. “Wie aus Toten Diamanten werden”, erklärt beispielsweise auch der Gründer und Verwaltungsratspräsident Rinaldo Willy der Konkurrenzfirma Algordanza AG aus Domat/Ems in einem Zeitungsinterview. 2.000 deutsche Bestattungsinstitute sollen bereits mit Algordanza zusammenarbeiten.
In einem weiteren Zeitungsbericht berichtet eine Mutter: “Meine Tochter wird ein Diamant”.
Der Schweizer Blick titelte: “Tsunami-Opfer wird zum Diamanten”.
Künstlich hergestellte Diamanten unterscheiden sich nicht von echten Diamanten. Sie sind chemisch, physikalisch und optisch identisch mit natürlichen Diamanten.
Seit 10 Jahren züchtet der renommierte Ingenieur Fritz Walz von der Firma Swiss Diamond Vision in der Blumeneggstrasse 52 in Goldach/SG Diamanten. Je nach Kundenwunsch aus Rosen, Tennisbällen oder einem Ledersitz vom Lieblingsauto wie etwa einem Ferrari. Aus allem, wo genügend Kohlenstoff drin ist.
Aber Diamanten aus Kremationsasche stellt er nicht her. Darin sei zu wenig Kohlenstoff.
Walz:
Sobald man was verbrennt, egal was es ist, ist keine Organik mehr vorhanden.
Deshalb würde ich sagen, wäre es für mich problematisch, aus Urnenasche das zu machen.
Walz baut einen Minibehälter aus Keramik und Metallteilen. Darin wird später der Diamant wachsen. Ausgangsbasis für einen Diamanten ist immer Kohlenstoff.
Hinein kommen winzige Startdiamanten. Daran wachsen später künstliche Diamanten.
Natürliche Diamanten entstehen im Erdinnern über Jahrtausende. Unter großer Hitze und gigantischem Druck. Die Diamantenpresse von Walz simuliert diese Bedingungen. Jede Presse ist 5 Meter hoch und 60 Tonnen schwer. Sie erzeugt einen Druck von 70 Tonnen bei 1.700 Grad Hitze.
Für 1 Karat, also 0,2 Gramm, muss die Presse eine Woche lang rund um die Uhr laufen. Dann ist der Rohdiamant fertig.
Fritz Walz erhält auch Anfragen von Firmen, die im Nachhinein Diamanten manipulieren wollen:
Ein typisches Beispiel ist, wenn Firmen aus den USA anfragen, wie man weiße Diamanten einfärben könnte. Und Aufträge erteilen, grüne, blaue oder pinkfarbene Diamanten draus zu machen.
Daran sieht man eigentlich, dass nicht immer unbedingt alles koscher ist, was die verkaufen.
Kassensturz fragt nach: Und das sind Firmen, die Erinnerungsdiamanten herstellen?
Walz bestätigt:
Das sind Firmen, die Erinnerungsdiamanten herstellen.
Zurück in Zürich, im seinerzeitigen vermeintlichen Hauptquartier von Lonite. Hier müssten riesige Diamantenpressen stehen. Nix da. Lonite soll hier lediglich sporadisch ein Zimmer für Kundengespräche gebucht haben.
Am Telefon behauptet ein Mitarbeiter: Doch, doch, man produziere Diamanten. Aber nicht hier.
Kassensturz wollte wissen: Wo ist der wirkliche Hauptsitz von Lonite?
Ein Mitarbeiter sagt, die Produktion befinde sich in Zug.
Kassensturz überpüfte es. In dem Haus Nummer 21 in der Bahnhofstraße in Zug sollen die Diamantenpressen stehen.