Besonders umstritten sind aggressive Google-Werbekampagnen. Die Werbung wird nicht auf Schlagwörter wie “Rechtsanwalt” oder “Anlegerschutzanwalt” geschaltet, sondern es werden gezielt Tausende Euros eingesetzt um die Namen von Fonds und Emittenten zu bewerben.

 

Die Werbung ist einzig und allein darauf ausgelegt Angst bei potentiellen Mandanten zu schüren und diese zu einem Erstberatungstermin zu locken. Diese Erstberatung wird häufig kostenlos oder gegen eine geringe Beratungspauschale angeboten.

Beliebt ist auch die Gründung von Anlegerschutzvereinen und Interessensgemeinschaften.

Die mehr oder weniger verborgenen Hintermänner der so genannten Anlegerschutzvereine und Interessensgemeinschaften sind in der Regel Anwälte mit dem Schwerpunkt Bank- und Kapitalmarktrecht. In den Beratungsgesprächen der Vereine und Interessengemeinschaften geht es entsprechend immer darum potentielle neue Mandanten kennenzulernen und die eigene Kanzlei zu präsentieren.

Die selbsternannten Verbraucherschützer klingeln im Auftrag der Anwälte sogar an der Haustür von Sparern, um sie zu aussichtslosen Prozessen zu drängen. GoMoPa.net berichtete.

Beispielsweise vermittelt die Schutzgemeinschaft deutscher Kapitalanleger (SdK) Mandaten an Rechtsanwalt Markus Kienle.

Von Jena aus ging Philipp Wolfgang Beyer, Inhaber der Kanzlei PWB Rechtsanwälte, auf Mandantenfang. Der 49-Jährige steckt hinter mehreren Vereinen: Er ist Vorstand des Deutschen Insolvenzschutzrings, des Deutschen Schutzverbandes gegen Diskriminierung und des Deutschen Verbraucherschutzrings e.V. (DVS) aus Erfurt (Thüringen).

Die Zusammenarbeit zwischen Kanzleien und Anlegerschutzvereinen wird von vielen Rechtsanwälten kritisch gesehen.


Teilweise könnte es sich sogar um unzulässige Werbung handeln. Im Gespräch mit der Wirtschaftswoche kommentierte Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP), der selber Volljurist ist:

Das ist meines Erachtens nicht per se unzulässig. Eindeutig unseriös ist es aber, wenn die Anwälte den Verein selbst initiiert haben, der Anleger davon aber nicht informiert wird. Dadurch wird Geschädigten eine Neutralität vorgegaukelt, die gar nicht existiert. (…)

Bisher haben die Anwaltskammern in dieser Sache versagt. Wenn Anwälte Anleger ungefragt angeschrieben und in Angst und Schrecken versetzt haben, gab es zwar bisweilen eine Rüge – aber ansonsten wurde das Thema in der Regel totgeschwiegen. Hier wünsche ich mir in Zukunft mehr Offenheit und mehr Handlungsbereitschaft. Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass hier eine Krähe der anderen kein Auge aushackt.

Eine weitere umstrittene Methode sind gezielte Serienbrief-Kampagnen.

Um an die hierfür nötigen Kommanditisten-Listen zu gelangen reicht ein einziger Anleger, der dazu bewegt werden muss, gegen die jeweilige Fondsgesellschaft zu klagen. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der Kläger Anrecht auf Aushändigung der Kommanditisten-Listen.

Kaum in der Hand der Anlegerschutzanwälte werden die Adresslisten geldwert ausgeschlachtet. Mit Serienbriefen voller Panikmache werden die zukünftigen Mandanten dazu eingeladen sich bei der Kanzlei wegen einer Erstberatung zu melden. Kaum ein Emissionshaus am Markt musste solche Kampagnen in der Vergangenheit nicht aushalten.

Völlig unseriös ist diese Methode, findet der erfahrene Anlegerschutzanwalt Jens Graf, der als einer der ersten Rückabwicklungen aufgrund von Beratungsmängeln bei vermittelnden Banken erstreiten konnte, und geht hart mit seinen Kollegen ins Gericht:

Die meisten Kollegen wissen eher, wie man so einen Werbebrief verschärft, als dass sie wüssten, wie man einen Prozess beginnt. Ich bekomme das immer wieder mit.

Ist der Anleger erst einmal in der Kanzlei oder auf der Infoveranstaltung, dann werden alle Register gezogen, um ihn als Mandanten zu gewinnen.

Horrorgeschichten über gescheiterte Kapitalanlagen und Totalverluste werden erzählt, Immobilien als völlig überteuert dargestellt. Gerne wird auch auf bergeweise Aktenordner in den Regalen verwiesen, mit dem Hinweis, dass dies alles Fälle gegen den jeweiligen Emittenten seien.

Wenn der Anleger genug verunsichert wurde, wird Hoffnung geweckt. Man könne eine Rückabwicklung erzielen, das eingesetzte Kapital retten und eventuell sogar Schadensersatz erstreiten. Vor Abschluss eines Mandantenvertrages gelte es nur noch eine Sache zu klären: “Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung?”

Wird diese entscheidende Frage bejaht, kann es losgehen und das weitere Vorgehen ist vorprogrammiert: Klageerhebung und Prozesse durch alle Instanzen, gerne auch bis zum Bundesgerichtshof. Denn dann sind die Gebühren besonders üppig.

Für viele Anwälte ist die Aussicht auf Erfolg der Klagen irrelevant.

Die Höhe der abrechenbaren Gebühren bemisst sich nach dem anzulegenden Streitwert und ist in einer Gebührenordnung festgehalten. Entsprechend wichtig ist es für die Anlegerschutzanwälte einen hohen Streitwert zu generieren.

Vor allem bei Ratensparverträgen kann dies zu absurden Vorgängen kommen, wie der Sprecher eines großen Emissionshauses, welches sich regelmäßig erfolgreich gegen klagende Anlegerschutzanwälte zur Wehr setzen muss, im Gespräch mit GoMoPa.net erläutert:

Die gehen gegen viele Gesellschaften (oft erfolglos) vor und haben auch vor 2 Jahren begonnen mit ehemaligen Vermittlern von uns auf Mandantensuche zu gehen. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich haben sie Anleger verunsichert und so in ein Mandat getrieben.

In der Folge haben die Anleger riesig hohe Honorarrechnungen von der Kanzlei bekommen. Das lag auch daran, dass die meisten Anleger Ratensparer waren und die Kanzlei ihre Honorarnote aber nicht an dem eigentlich eingezahlten Geld festgemacht hat, sondern an der Vertragssumme die der Anleger innerhalb von 20 Jahren zu zahlen hätte. Die Anleger hatten dann z.B. 4000 Euro eingezahlt und mussten aber allein in der ersten Abschlagsrechnung 1000 Euro (also 25%!!!) an die Kanzlei bezahlen.

Die Schlussrechnung sollte dann gestellt werden, wenn ein Vergleich oder ein Urteil erzielt wurde und wäre nochmal ähnlich hoch geworden.

Interesse am Wohl der Anleger hatten die nie. Deren Ziel war es nur möglichst viele Mandanten zu finden und dann Rechnungen zu schreiben.

Auch Rechtsanwalt Jens Graf bemängelt das Vorgehen einiger seiner Kollegen, die den Ruf der ganzen Branche in Verruf bringen. Sein Gefühl ist, dass häufig mangelnde Kompetenz auf eine harte Händlermentalität trifft:

Mir tut das insofern Leid, dass ich das Gefühl habe, was vor 20 Jahren die Händler von Orientteppichen waren, sind heute teilweise die Rechtsanwälte.

Wer sich seriös mit Kapitalanlagerecht beschäftige, könne die Chancen eines Prozesses fast hundertprozentig voraussagen, so Graf weiter. Er selbst habe eine gefühlte Erfolgsquote vor Gericht von 99 Prozent.

Ausschlaggebend seien aber ein paar grundlegende Vorgaben, an die sich seriöse Anwälte halten:

Wir arbeiten nicht mit irgendwelchen dubiosen Prozesskosten-Finanzierern, die die Leute in Verfahren hetzen, von denen sie gehört haben, dass es 10-Prozent-Vergleiche gibt. Diese 10 Prozent, die dann fließen – wenn der Rechtsanwalt korrekt abrechnet, was er in der Regel tun wird – nutzen dem Anleger nichts. 12 Prozent werden wahrscheinlich die Anwaltskosten sein.

Vor allem das Vorgehen gegen Emittenten halten erfahrene Kapitalmarktjuristen für sinnlos.

Rechtsanwalt Jochen Resch erklärt die Problematik im Gespräch mit GoMoPa.net. Gegen die Fondsgesellschaft seien grundsätzlich nur Schadensersatzansprüche in Höhe des so genannten Auseinandersetzungsguthabens möglich. Der erfolgreich klagende Anleger kann also nur den aktuellen Wert seiner Beteiligung einklagen. Dieser liegt bei notleidenden Beteiligungen aber häufig nur bei 20 bis 30 Prozent des eingesetzten Kapitals.

Dem übersichtlichen Ertrag im Erfolgsfall stehen erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung gegenüber. Die Rückabwicklung ist nur aufgrund von nachgewiesenen Prospektfehlern oder fehlerhaften Widerrufsbelehrungen möglich. Doch diese sind häufig schwierig bis gar nicht beleg- und durchsetzbar.

Auch Rechtsanwalt Jens Graf sieht das ähnlich und erläutert die Problematik im Gespräch mit GoMoPa.net:

Wenn die Gesellschaft angeschlagen ist, wird es schwierig noch Forderungen zu realisieren. Man muss aber auch sagen, dass die juristischen Möglichkeiten gegenüber einer Fondsgesellschaft eingeschränkt sind. Da müssen Sie schon einen Prospektfehler nachweisen. Und das ist in der Regel juristisch schwierig. Geschätzt sind 90 bis 95 Prozent solcher Prozesse in die Hose gegangen.

Deutlich einfacher ist es hingegen die Vermittler wegen Falschberatung in Haftung zu nehmen.

Erfolgreiche Klagen gegen Vertriebe können eine Rückabwicklung nach sich ziehen, die eine Rückführung der eingezahlten Gelder ermöglicht. Allerdings ist ein solventer Vermittler oder eine adäquate Vermögensschadenshaftpflichtversicherung des Beklagten notwendig, wie Rechtsanwalt Jochen Resch im Gespräch mit GoMoPa.net erläutert.

Die einhellige Erfahrung klagender Anwälte ist aber eine andere. Die meisten Vermittler sind selbst nicht in der Lage etwaige Forderungen zu bedienen und sind daher kein geeignetes Ziel von Klagen. Nur bei Großvertrieben sei eine Schadensersatzklage überhaupt sinnvoll.

Glücklich können sich im Prinzip nur die Kunden schätzen, die sich von Banken beraten haben lassen, erklärt Rechtsanwalt Jens Graf:

Warum wir in der Regel Erfolg haben ist, weil die Banken oder Sparkassen zum Zeitpunkt der Empfehlung solcher Produkte, typischerweise die versteckten Provisionen verschwiegen haben. Juristisch nennt sich das Rückvergütung, in anderen Branchen nennt man das Schmiergeld. Aber in der Finanzbranche ist es seit über hundert Jahren üblich. Das ist der Grund warum Banken ihren Kunden über viele Jahre solche Produkte empfohlen haben.

Nicht alle Kanzleien interessieren sich für den Ausgang der Prozesse

Ein besonderes obszönes Beispiel vollzieht die Kanzlei Sommerberg LLP. Mit aggressiver Google-Werbung werden potentielle Mandanten angesprochen und auf die Kanzlei-Webseite gelockt. Bei der Erstberatung wird den Neukunden das Blaue vom Himmel versprochen, die Chancen auf Rückabwicklung – auch von nicht notleidenden Anlagen – in den Vordergrund gestellt.

Lässt sich der Anleger überreden ein Mandat an Sommerberg zu vergeben, sinkt das Interesse an dem Fall drastisch. Ein betroffenes Emissionshaus, das in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt werden möchte, berichtet GoMoPa.net von den Erlebnissen mit den Anwälten.

In den letzten Monaten habe es rund 10 Prozesse gegen die Kanzlei Sommerberg gegeben. Das Emissionshaus hat in jedem Fall Recht bekommen, was unter anderem daran lag, dass es die klagenden Anwälte nicht geschafft hatten, den Prozesstermin wahrzunehmen. Die Klagen wurden daher direkt zu Prozessbeginn abgeschmettert – quasi als Pendant zu einem Säumnisurteil.

Die Mandanten von Sommerberg hätten in allen Fällen üppige Honorarnoten erhalten, ohne auch nur die Aussicht auf einen Cent Schadensersatz oder Erstattung gehabt zu haben.

Die Vereinbarung bewegt sich nah an der Grenze des zulässigen, da Anwälten prinzipiell die Zahlung von Kick-Backs untersagt wird. Durch die Vertragskonstruktion versucht Sommerberg diese Rechtsvorschriften zu umgehen, was einem Umgehungstatbestand sehr nahe kommt.

Noch wichtiger für den Vermittler ist aber der Umstand, dass der Anleger in §4 einen Anspruchsverzicht gegenüber dem Vermittler unterzeichnet. Im Resultat entfällt für den Anleger damit die Möglichkeit einer aussichtsreichen Rückabwicklung wegen Fehlberatung.

Das gesamte Konzept, dass sich die Kanzlei Sommerberg als Mandantenschaufel einfallen lassen hat, basiert darauf, dass Vermittler durch Kick-Backs und Reduzierung von Prozessrisiken profitieren und die Anwälte ihre Honorare abrechnen können.

Die Interessen der Anleger spielen hingegen keine Rolle. Prozessiert wird, meist aussichtslos, gegen die Emittenten, da Vermittlerhaftung ja bereits ausgeschlossen wurde. Teilweise scheinen sich die Sommerberg-Anwälte nicht einmal bemüßigt zu fühlen, vor Gericht zu erscheinen, weil ihnen die Prozesse zu aussichtslos erscheinen. Auf Honorar verzichten wollen sie aber dennoch nicht.

Kommt es wider Erwarten doch zu einem Vergleich mit der Emittentin – dieser bewegt sich in der Regel zwischen 10 und 30 Prozent des eingezahlten Kapitals – dann kassieren die Anwälte ihre Gebühren, der Vertrieb seine Kick-Backs. Für den klagenden Anleger steht in jedem Fall ein hoher Teilverlust seines Investments, da eine vollständige Rückabwicklung nur gegenüber dem Vermittler durchsetzbar gewesen wäre.

Vorteile für den Anleger gibt es in dieser Rechtskonstruktion higegen keine. Besser wäre es sich einen unabhängigen Spezialisten zu suchen und gegen die Vermittler vorzugehen sowie Ansprüche gegen die Emittentin zu prüfen.

Die Hintermänner und Hauptprofiteure des Sommerberg-Konzepts sind die Anwälte der Kanzlei Wirtschaftsrat Recht Bremer & Heller.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Anwälte im Zusammenhang mit Schrottfonds auftauchen. Dr. Henrik Bremer und seine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dr. Hillinger & Bremer GmbH wurden vom Oberlandesgericht zu Schadensersatz verdonnert (Az.: 13 U 221/09 – 226/09). Der Senat sah es als erwiesen an, dass die Beklagten die damals dramatische Situation der EuropLeasing AG & Co. Financial Solutions KG verschleiert hatten. Der Anwalt Bremer war noch nicht einmal davor zurückgeschreckt als Wirtschaftsprüfer und als Treuhänder für den Fonds zu agieren und damit einen hausgemachten Interessenskonflikt hervorzurufen.

In den Händen der dubiosen Anlegerschutzanwälte sind die Anleger meist verloren und verkauft. Alle Beteiligten profitieren, nur den Schaden trägt der Investor, der erst vom Emittenten geprellt und danach von seinen Anwälten ausgeweidet wird. Nun denn…