Chinas Hacker und Militärforscher werden praktisch von deutschen Unis eingeladen. 

Denn die Doktoranden aus dem Reich der Mitte, die ihre Beziehung zum chinesischen Militär oft verschweigen, kosten in vielen Fällen kein Geld. Sie werden aus chinesischen Förderprogrammen bezahlt und anschließend ebenfalls mit chinesischem Geld  wieder abgeworben.

Chinas 95 Jahre alte Volksbefreiungsarmee mit Befehlshaber Staatspräsident Xi Jinping (69) soll zur Armee der Weltklasse modernisiert werden © Pressefoto China Military

Chinas 95 Jahre alte Volksbefreiungsarmee mit Befehlshaber Staatspräsident Xi Jinping (69) soll zur Armee der Weltklasse modernisiert werden ( © Pressefoto China Military).

Mit dem „Tausend-Talente-Plan“ (TTP) setzte die chinesische Regierung ab 2008 gezielte Anreize für chinesischstämmige Wissenschaftler im Ausland, ihre Forschungsarbeit nach China zu verlegen (und damit ihre Ergebnisse effektiv in den Dienst des Staates zu stellen), schreibt der deutsche Verfassungsschutz auf seiner Homepage.

Gefragte Experten erhielten demnach nicht nur umfangreiche Forschungsmittel und Ehrungen, sondern auch Gehälter, die teils das Drei- oder Vierfache des marktüblichen Niveaus erreichten. Nachdem international immer mehr Vorwürfe laut wurden, wonach das Programm lediglich dem illegitimen Know-how-Abfluss diente, stellte China die öffentliche Werbung für das Programm 2018 ein. Ungeachtet dessen läuft es aber bis heute fort, genauso wie zahlreiche ähnliche Programme, wie die New York Times im Sommer 2020 berichtete.

Chinas Hacker – Seven Sons of National Defense

 

Hochschulen wie die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH Aachen) Universität Hamburg, Technische Universität Darmstadt, Technische Universität Berlin und Technische Universität Hamburg, kooperieren mit chinesischen Militärunis (Seven Sons of National Defence), obwohl in deren Umfeld offenbar Hackerattacken gegen Deutschland geschmiedet werden.

Das zeigen Abfragen zwischen März und Mai 2022 bei den Unis und weitere Recherchen von CORRECTIV, Follow the Money und neun weiteren internationalen Medien.

Die sogenannten Seven Sons of National Defence sind eine chinesische Hochschulvereinigung, die sieben öffentliche Forschungsuniversitäten umfasst. Diese arbeiten alle eng mit der Volksbefreiungsarmee zusammen, wie das Australien Strategic Policy Institute herausgefunden hat.

Demnach sind zwar die sieben chinesischen Unis als zivile Hochschulen deklariert, sie sollen aber tief mit der Militär- und Rüstungsindustrie verbunden sein oder einzelne Labore für Verteidigungstechnologie betreiben.

Die RWTH Aachen unterhält mit zwei „Seven-Sons“-Universitäten laufende Fakultätskooperationen, im Bauingenieurwesen und Maschinenwesen. Darunter mit dem Harbin Institute of Technology (HIT), mit dem es seit 2021 auch ein Hochschulabkommen gibt. 

Chinas Militärforscher: Beispiel Technische Uni München

 

Auch Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben schon mit dem HIT kooperiert. Zwei Forscher der TUM arbeiteten unter anderem mit dem Unternehmen „Ariane Group“, das zu Airbus gehört, an einer Arbeit zu Raketenbrennern, die 2018 veröffentlicht wurde.  

Kooperiert wurde damals auch mit einem chinesischen Doktoranden, der von 2015 bis 2016 für ein Training an der TUM arbeitete. Der Forscher gehörte bereits zu diesem Zeitpunkt dem HIT an. Es handelt sich um eine chinesische Spitzenuniversität von herausragender Bedeutung für das Militär. Von chinesischen Staatsmedien wird sie als zentral für „Innovation in der Verteidigungstechnologie und Modernisierung von Waffen und Rüstungsgütern“ beschrieben. Sie sei führend in Bereichen wie Satellitentechnologie, Robotik und Informationstechnologie. 

Das HIT steht geradezu beispielhaft für die Verschmelzung von Zivilem und Militärischem. In den dortigen Laboren werde in hoher Zahl „militärisch-zivile Integrationstechnologie“ produziert.

Dass die gemeinsame Forschung der TUM-Forschenden und des chinesischen HIT-Forschers ein „Dual-Use“-Fall ist, also nicht nur für zivile Weltraumraketen, sondern auch militärisch verwendet werden kann, ist offensichtlich. Der Präsident der Münchner Hochschule sieht in der Arbeit „nichts anrüchiges“. „Viele Innovationen sind gleichzeitig zivil und militärisch nutzbar“, sagt er. „Da ist keine scharfe Trennung möglich.“ Einen Vorteil für das chinesische Militär sieht der Präsident nicht. Von der Forschung würden „Gesellschaften auf der ganzen Welt“ profitieren.

Problematische Kooperationen zwischen Unis

48 deutsche Hochschulen arbeiten mit akademischen Einrichtungen in China, trotz ihrer möglichen Nähe zum Militär.

Sie kooperieren oder kooperierten mit einer oder mehreren von sechs chinesischen Universitäten, die laut eines Berichts des US-amerikanischen Center for Security and Emerging Technology (CSET) der Georgetown Universität vom März 2021 mutmaßlich staatlich gelenkten Hackergruppen nahestehen. Und das, obwohl einige der beteiligten deutschen Einrichtungen, wie die TU Berlin, schon selbst Opfer von Hackerangriffen wurden.

„Die TU Berlin mit ihren mehr als 40.000 Angehörigen ist fortwährend Attacken ausgesetzt“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. „Neben Phishing-Attacken in zunehmend kreativen Ausformungen sind dies vor allem ungezielte Scams und Exploitversuche auf Ports und bekannte Lücken.“

Damit konfrontiert, teilt die RWTH mit: Ihr sei bekannt, dass die chinesischen Kooperationspartner Hackergruppen nahestünden. Die „Neueinstufung oder Beendigung von Partnerschaften“ wolle die Hochschule jedoch nicht öffentlich diskutieren. Sie teilt außerdem mit, bereits Opfer von Angriffen geworden zu sein, deren Herkunft nicht klar zu ermitteln gewesen sei. Die TU München wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern.  

„Deutschland füttert diese Maschine“, sagt Didi Kirsten Tatlow, die zum politischen System Chinas forscht und 2021 das Buch „China’s Quest For Foreign Technology“ mit herausgab. Chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die für das Militär forschen, hätten leichtes Spiel: „Ein bisschen wie ein Kind im Süßigkeitenladen: Man geht rein und kommt mit einer Menge Zeug wieder raus.“

Für Xi Jinping  läuft alles nach Plan

Im Jahr 2049, wenn die Volksrepublik China 100 Jahre alt wird, soll das Land in seiner Vorstellung die technologische, wirtschaftliche, politische und militärische Supermacht der Welt sein. Chinas Regime möchte ein „Weltklasse-Militär“ aufbauen. Doch es braucht Know-How.

Gerade der letzte Punkt auf dieser Liste wird immer relevanter für den Staatspräsidenten. Die People’s Liberation Army (PLA), deren oberster Befehlshaber er ist, stattet er jährlich mit umgerechnet 211 Milliarden Euro aus. Für Xi ist die Modernisierung der PLA hin zur „Armee der Weltklasse“ essentiell für Chinas Weg zum „großen, modernen, sozialistischen Land“. Dafür entwickelte er eine Strategie: Seine Regierung will zivile Technologien wie Künstliche Intelligenz für das Militär nutzen. Und dafür auch systematisch Know-how aus dem Ausland importieren.

Bundesregierung sieht Gefahr, verweist aber auf Forschungsfreiheit

Am 20. April 2022 antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion Drucksache 20/1275 im Deutschen Bundestag mit Drucksache 20/1465: „Eine Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern soll so gestaltet werden, dass Risiken für die Freiheit von Forschung und Lehre und ungeregelten Know-how- bzw. Technologietransfer minimiert und Kooperationen auf Basis einer informierten Entscheidung eingegangen bzw. fortgesetzt werden, hierzu zählen auch Abwägungen mit Blick auf mögliche Zusammenhänge zu Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China. Zudem sieht die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem von chinesischer Seite politisch verpflichtenden Ziel der zivilmilitärischen Integration mit Sorge wachsende Proliferationsrisiken in vielen Forschungsbereichen.”

In den USA ist die Lage bezüglich wissenschaftlicher Kooperation mit chinesischen Einrichtungen seit Jahren angespannt. 2020 griff die Regierung unter Donald Trump zu einem drastischen Schritt: Studierenden von „Seven-Sons“-Universitäten wurde die Einreise verweigert. 

Expertin Tatlow wünscht sich keine solchen extremen Maßnahmen, sondern zunächst vor allem eine offene, ehrliche Debatte über das Thema: „Ich finde, da gibt es in Deutschland einen Mangel.“ Nun denn… (Peter Stracke)

Artikel zum Thema

» Nach Enercon GmbH legt Cyber-Hackerangriff Nordex SE lahm