Alles riecht dermaßen billig, schrieb eine Kundin über die Parfüms und Duschgels des schwedischen MLM-Kräuterkosmetik-Direktsellers Oriflame Holding Limited mit Hauptsitz in St. Helier auf der britischen Kanalinsel Jersey auf Tustpilot.com im Jahr 2021. In der Gesamtnote aller Bewertungen erreicht Oriflame auf der Bewertungsplattform aktuell nur ein „Mangelhaft“.

Was ist aus der Gründer-Idee der beiden schwedischen Adelsbrüder Jonas af Jochnik (starb am 16. Mai 2019 im Alter von 81 Jahren) und Robert af Jochnick (85) aus Djursholm im Stockholmer Umland geworden, Kosmetik mit schwedischen Kräutern ohne Tierversuche herzustellen und im Direktselling (MLM – Multi Level Marketing oder Networking) durch Hausfrauen oder arbeitslose Frauen zu verkaufen?
Inhaltsverzeichnis: Oriflame Holding Limited – vom Traum der Kräuterkosmetik zum wackelnden Milliardenkonzern
- Oriflame-Gründungsidee: Kräuterkosmetik ohne Tierversuche im Wohnzimmer
- Aufstieg zum internationalen Direktvertriebs-Giganten
- Konzernstruktur: Jersey, Schaffhausen und ein Familien-Übernahmeplan
- Familien-Stiftungen: 40 % des Konzerns in liechtensteinischer Hand
- Prekäre Gegenwart: Werksschließung in Polen und Umsatzeinbruch
- Produktqualität: Natur-Image versus Realität
- Direktvertrieb im Jahr 2025: Karrierechance oder Illusion?
- Fazit: Ungewisse Zukunft für den Schönheitsriesen
Im Einzelnen.

1. Oriflame-Gründungsidee: Kräuterkosmetik ohne Tierversuche im Wohnzimmer
Oriflame wurde 1967 von den Brüdern Jonas und Robert af Jochnick – Söhnen einer wohlhabenden Familie aus Djursholm bei Stockholm – gemeinsam mit ihrem Freund Bengt Hellsten gegründet. Ihre Vision: Schwedische Schönheitsprodukte auf Kräuterbasis, die ohne Tierversuche entwickelt werden. Statt auf Ladengeschäfte setzten sie von Anfang an auf den Direktvertrieb: Hausfrauen und andere Quereinsteigerinnen verkauften die Cremes, Lippenstifte und Mascaras im Bekanntenkreis – ganz nach dem Vorbild von Avon, aber „made in Sweden“. Dieses Konzept traf einen Nerv: Das Image natürlicher, tierleidfreier Kosmetik aus dem Land der Elche und Wälder kam an. Oriflame versprach Schönheit „inspiriert von der Natur“ – und bot gleichzeitig Frauen die Chance, sich als Beauty-Beraterinnen ein Zubrot zu verdienen.
2. Aufstieg zum internationalen Direktvertriebs-Giganten
In den folgenden Jahrzehnten wuchs Oriflame rasant. Bereits 1982 wagte das Unternehmen den Gang an die Londoner Börse – als erster ausländischer Konzern seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch der große internationale Durchbruch gelang erst nach 1990, als die af Jochnicks die Öffnung Osteuropas als Chance erkannten. Über eine Tochterfirma namens ORESA in Brüssel trieb Jonas af Jochnick eine aggressive Expansion in ehemals sozialistischen Ländern voran. Binnen weniger Jahre eröffnete Oriflame neue Märkte von Polen über Russland bis nach Indien. Diese grundlegende Änderung der Strategie brachte Oriflame einen großen Erfolg. So kaufte 1999 Industry Kapital (heute IK Partners aus Hamburg und München), eine führende europäische Private-Equity-Gesellschaft, 45 % der Oriflame-Aktien und nahm das Unternehmen von der Londoner Börse.