Die Anzahl der Insolvenzen (Unternehmenskonkurse) hat in Deutschland gerade wieder etwas abgenommen, aber trotzdem ist die Entwicklung dramatisch, mittlerweile sind zunehmend auch Privatpersonen von der Überschuldung bedroht.
Besonders betroffen sind aber vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Firmen, die nicht die Möglichkeit haben eine umfangreiche Rechtsabteilung zu unterhalten und deren Inhaber oder Gesellschafter deshalb oftmals, wenn Insolvenz rechtliche Probleme auftauchen, vor schwierigen Aufgaben stehen. Trotz der erheblichen zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen kommt es in der Praxis immer noch zu Verstößen gegen die gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen.
Insolvenz – falsche Helfer und Gefahren
Was steckt hinter den Anzeigen: “Wir verkaufen Ihre GmbH ins Ausland und setzen einen neuen Geschäftsführer für die GmbH ein…” -, dass hat jetzt das Bayerische Oberste Landesgericht etwas erhellt.
Es musste in einem Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Insolvenzgerichten entscheiden und entdeckte dabei folgenden Sachverhalt: Xaver A., alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer in Memmingen registrierten und tätigen GmbH, war im April 2003 wirtschaftlich am Ende. Er nahm einen dieser “Helfer” in Anspruch.
Der ging mit ihm zum Notar und kaufte ihm sämtliche Geschäftsanteile ab, hielt sofort vor dem Notar eine nur aus ihm selbst bestehende Gesellschafterversammlung ab, rief Xaver A. als Geschäftsführer ab, erteilte ihm Entlastung und bestellte sich selbst zum neuen Geschäftsführer. Zur Abrundung änderte er die Firmenbezeichnung und den Unternehmensgegenstand.
Diese Änderungen meldete er dem Handelsregister in Memmingen. Anfang Mai beantragte dieser “Helfer” beim Amtsgericht Memmingen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (und zugleich dessen Verweisung an das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg).
Zur Begründung schrieb er, er habe mit der Übernahme der Geschäftsanteile das Gewerbe wegen völliger Betriebseinstellung abgemeldet, die Geschäftsräume aufgegeben, den Mitarbeitern gekündigt und sämtliche Geschäftsunterlagen an seinen in Berlin gelegenen Wohnsitz verbracht, von wo aus er die Abwicklung der Gesellschaft unter Einschaltung der Firma S. vornehmen wolle.
Als das Amtsgericht Charlottenburg nach den Vorschriften der Insolvenzordnung Auskünfte und Unterlagen anforderte, bekam es von dem “Helfer” die Antwort, er habe mit notariellem Vertrag die Gesellschaftsanteile an Herrn N. übertragen, der in Marbella/Spanien wohne. Auskunfts- und Unterlagenanforderungen an dessen Adresse blieben – wen wundert´s? – ohne Reaktion.
Das Amtsgericht Charlottenburg lehnte die Übernahme des Insolvenzverfahrens ab, weil es die Firma S. aus einer Vielzahl von Parallelverfahren kennt, sie halte für die angeworbenen Unternehmen lediglich eine Briefkastenanschrift vor.
Es handle sich um einen (weiteren) Fall der Zuständigkeitserschleichung, deren Ziel es sei, die ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer der Aufmerksamkeit der Gläubiger am früheren Firmensitz zu entziehen, ihren Namen nicht durch Veröffentlichung in der Lokalpresse zu belasten und dem räumlich entfernten Insolvenzgericht die Aufklärung etwaiger Anfechtungs- und Haftungsansprüche zu erschweren.
Das Bayerische Oberste Landesgericht gab dem Berliner Insolvenzrichter Recht: Die Verweisung des Insolvenzverfahrens nach Berlin sei… nicht bindend. Maßgeblich sei der ins Handelsregister eingetragene Sitz der Gesellschaft… In der Tat habe das Vorbringen des “Helfers” den Verdacht nahe gelegt, dass es sich um einen Fall der gewerbsmäßigen “Firmenbestattung” handelt, bei der die Erschleichung eines vom Sitz der Gesellschaft entfernten Gerichtsstandes den eigentlich Verantwortlichen ermöglichen soll, “sich aus der Haftung zu stehlen”. (Beschluss vom 13.8.2003, 1Z AR 83/03)
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