Der Aufsichtsratschef Unternehmensberater Alexander Stuhlmann (70) aus Hamburg zeigte sich im Aufsichtsratsbericht mit der Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Ernst Russ AG (vormals HCI Capital AG) aus der Elbchaussee 370 “im Geschäftsjahr 2017 zufrieden”, obwohl die Gruppe von Anlegerrückabwicklungsforderungen und Schadensersatzforderungen nur so überzogen wird.
Gewinne und Investitionen mögen zunächst einmal zuversichtlich stimmen.
Das Jahr 2017 brachte einen Konzerngewinn von rund 6,2 Millionen Euro (Vorjahr rund 6,8 Millionen Euro). Die Umsatzererlöse waren von 40 Millionen Euro (2016) auf 44 Millionen Euro gestiegen (2017).
Und auch in die Zukunft wurde kräftig investiert. Stuhlmann:
Die Liquidität ist aufgrund von Investitionen insbesondere im Segment Shipping planmäßig um 10,5 Millionen Euro auf 17,8 Millionen Euro gesunken.
Denn mit dem Erwerb von zwei eigenen Containerschiffen mit 2,45 Millionen Euro und 2,785 Millionen Euro hat die Ernst Russ Gruppe die Flotte der aktiv gemanagten Schiffe im Geschäftsjahr 2017 weiter ausgebaut.
Darüber hinaus hat sich die Ernst Russ Gruppe zusammen mit einem Joint Venture Partner wesentlich an dem Investmentvehikel “ElbFeeder” beteiligt. Hierbei handelt es sich um ein Projekt zur Einwerbung von Investorenkapital mit Fokus auf den aussichtsreichen Feeder-Containermarkt.
Allerdings schwingen wie ein Damoklesschwert Rückabwicklungs- und Schadensersatzforderungen in dreistelliger Millionenhöhe über den Köpfen des maßgeblich Wirtschaftlich Berechtigten Wulfert Kirst (61) aus Hamburg Ottensen und seinen zuständigen prospektverantwortlichen Managern der Ernst Russ Gruppe.
Der Vorstandssprecher der Ernst Russ AG, Kaufmann Jens Mahnke (50) aus Hamburg, schrieb dazu im Jahresbericht 2017:
Insgesamt belaufen sich die geltend gemachten Ansprüche von Anlegern auf Rückabwicklung von Beteiligungen und Schadensersatz gegenüber Unternehmen der ER Gruppe – aufgrund ihrer Stellung als Prospektverantwortliche beziehungsweise Gründungsgesellschafter der Fonds – zum 31. Dezember 2017 auf rund 119 Millionen Euro (Vorjahr: 147 Millionen Euro).
Davon betreffen die gerichtlich geltend gemachten Ansprüche zirka 117 Millionen Euro (Vorjahr: 110 Millionen Euro).
Die Ernst Russ Gruppe hat für die 117 Millionen Euro gerichtlich geltend gemachten Ansprüche nur 1,3 Millionen Euro Rückstellungen gebildet.
Vorstandssprecher Jens Mahnke erklärt das im Jahresbericht 2017 so:
Die Durchsetzbarkeit der Inanspruchnahmen wird im Rahmen des Risikomanagementprozesses mindestens quartalsweise bewertet.
Zum 31. Dezember 2017 wird die Durchsetzbarkeit von rund 76 % der oben genannten Ansprüche von Anlegern als unwahrscheinlich beziehungsweise sehr unwahrscheinlich eingeschätzt (Eintrittswahrscheinlichkeit von 1 % bis 30 %).
Soweit aus kaufmännischer Vorsicht erforderlich, das heißt wenn eine Inanspruchnahme der ER Gruppe möglich oder sogar wahrscheinlich ist, sind für geltend gemachte und mögliche Ansprüche Rückstellungen in Höhe von 1,3 Millionen Euro (Vorjahr: 5 Millionen Euro) gebildet worden.
Mahnke zeigte sich kämpferisch und siegessicher:
Die ER Gruppe verteidigt sich vollumfänglich gegen erhobene Ansprüche und stellt gegebenenfalls eigene Schadensersatzansprüche.
Allerdings hat das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg die Ernst Russ Gruppe in zwei aktuellen Musterklagen mit Feststellungsbeschlüssen konfrontiert, in denen der hundertprozentigen Tochter HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH aus der Elbchaussee 370 und weiterer Unternehmen aus dem Verbund erhebliche mutmassliche Prospektfehler und sogar mutmassliche Lügen vorgeworfen werden, zu denen die Ernst Russ Gruppe nun Zeit hat, Stellung zu nehmen.
1. Musterklage im Fall des HCI Deepsea Oil Explorer
Im Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 21. März 2019 (Aktenzeichen 332 OH 2/19) zur HCI Deepsea Oil Explorer GmbH & Co.KG heißt es:
Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterbescheids folgende Feststellungsziele vorgelegt:
1. Der am 02.06.2008 von der HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG (vormals: HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH) aufgestellte Verkaufsprospekt für den Erwerb einer Beteiligung an der HCI Deepsea Oil Explorer GmbH & Co. KG ist in wesentlichen Teilen unrichtig und damit insgesamt irreführend und unvollständig, nämlich:
a) Ein “erheblicher Prospektfehler” sei es, dass der Prospekt auf Seite 15 einen Hinweis auf einen möglichen Totalverlust nur für erforderlich hält, wenn alle Risiken kumuliert auftreten.
Dazu das Landgericht Hamburg:
Obgleich bereits jedes der anlagegefährdenden Risiken zu einem Totalverlust führen kann und die Anleger dadurch unrichtig über die Verlustrisiken aufgeklärt werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt.
b) Bei den “Vertragserfüllungsrisiken aus der Chartervereinbarung” auf Seite 19 fehlt der entscheidende Hinweis, so das Landgericht Hamburg,
dass eine unmittelbare Inanspruchnahme durch Dritte erfolgen kann, indem die Eigentümergesellschaft mit dem Fondsobjekt unmittelbar in Haftung und Arrest genommen wird für Ansprüche, gegen den Charterer, welche aus Schiffsgläubigerrechten unmittelbar nach §§ 596 ff. HGB unmittelbar gegen das Fondsobjekt vollstreckt werden können.
c) HCI habe eine falsche Sicherheit bei der Versicherung gegen Risiken während des Bauabschnitts der Plattform vorgegaukelt.
Der Emissionsprospekt unterlässt auf Seite 58 den entscheidenden Hinweis, so das Landgericht Hamburg,
dass die für die Bauphase gegen Verspätungen der Abnahme abgeschlossene ‘Delay in Start-Up’ Versicherungen nicht greift, wenn die Verspätung
aa) in der Sphäre der Eigentümergesellschaft begründet ist;
bb) in der verspäteten Lieferung der Erstausrüstungsgegenstände (Owner’s Furnished Equipment) begründet ist.
d) Zur Ertragsprognose schreibt der Prospekt auf Seite 62: