Warten Sie doch mal ab, haben Sie doch etwas Geduld, warten Sie auf eine vernünftige Beendigung dieser ganzen Chose, wimmelte der Aufsichtsratschef der Hamburger Privatbank M.M. Warburg & CO, Dr. jur. Christian Olearius (75), vor anderthalb Jahren einen NDR-Panorama-Reporter ab.
Der Reporter hatte gefragt:
Hat die Bank mit dubiosen Geschäften den Steuerzahler geprellt?
Die “Chose” ist auch für Olearius noch nicht vorbei.
Der Bundesverband der Banken selbst war es, der das Bundesfinanzministerium 2002 in einem Brief auf eine Gesetzeslücke beim Verkauf von Aktien mit Dividenden (cum) und ohne Dividenden (ex) aufmerksam machte. Wörtlich hieß es, es wären “zusätzliche Regelungen notwendig”.
Für die Regelungen im Sinne der Banken sorgte dann 2007 Arnold Ramackers, Ex-Finanzrichter aus Düsseldorf mit einem neuen Gesetz. Mal vom Bund, mal von den Banken bezahlt. Genauso, wie die Banken es wollten, schrieb er in die Gesetzesbegründung: Nach “geltendem Recht” könne dieselbe Aktie zum selben Zeitpunkt zwei Eigentümer haben. Wunderbar für die Profiteure. Denn zwei Eigentümer heißt für sie auch zwei Steuergutschriften, für nur einmal bezahlte Steuern. Cum-Ex hieß der Steuerbetrug, der erst 2012 gestoppt wurde.
Bis heute berufen sich etliche Milliardäre, Banken und Berater darauf, dass die Milliardengeschenke aus der Volkskasse ganz legal waren.
Der Staat sieht das anders. Der will sein Geld zurück. Staatsanwälte bezichtigen genau 417 Banken und Börsenhändler, den Fiskus systematisch um 5,3 Milliarden Euro betrogen zu haben.
Die Reaktionen fielen ganz unterschiedlich aus:
Bankier Eric Sarasin beispielsweise trat 2014 nach einer Razzia durch die Kölner Staatsanwaltschaft als Vorstand und Vizechef der schweizerisch-brasilienischen Privatbank Bank J. Safra Sarasin mit Hauptsitz in Genf zurück und kaufte sich Anfang 2016 im deutschen Prozess um die Cum-Ex-Geschäfte der Bank, die über einen Luxemburger Sheridan-Fonds liefen, frei. Der 58-Jährige zahlte an die Justiz 200.000 Euro. Im Gegenzug ließ die Kölner Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und des bandenmäßigen Betrugs gegen den Manager fallen.
Die Zahlung an die deutsche Justizbehörde sei weder Buße noch Schuldeingeständnis, erklärt Sarasins Sprecher.
Die noble Privatbank musste allerdings an vermögende deutsche Kunden Schadensersatz zahlen: Im Jahr 2015 an den niedersächsischen Investor und einstigen Sarasin-Duzfreund Carsten Maschmeyer 10 Millionen Euro, im Jahr 2017 an den Ulmer dm-Drogerieketteninhaber Erwin Müller 45 Millionen Euro. Die Forderungen von Fleischunternehmer und FC Schalke 04 Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies aus Rheda in NRW laufen noch. Tönnies hat im Sommer 2017 Klage vor dem Handelsgericht in Zürich gegen die Bank eingereicht.
Und Safra Sarasin hat Deutschland aufgegeben und geht lieber zurück zu ihren Wurzeln zurück, berät vermögende Israelis.
Ab 2017 bietet die Bank J. Safra Sarasin in Deutschland keine Private-Banking-Dienstleistungen mehr anbieten. Damit scheiterte die Privatbank im grössten Vermögensverwaltungs-Markt Europas. Zuletzt verwaltete das Haus dort mit rund 80 Mitarbeitenden noch 1,5 Milliarden Euro an Kundengeldern.
Auch die Privatbank Maple aus Frankfurt am Main hat die Cum-Ex-Aufarbeitung in Deutschland nicht überlebt. Sie wurde sogar zwangsgeschlossen.
Die deutsche Maple Bank GmbH mit kanadischen Wurzeln war von der Bonner Finanzaufsicht BaFin am 6. Februar 2016 für den Geschäftsverkehr geschlossen worden, weil ihr wegen einer notwendigen Steuerrückstellung die Überschuldung drohte, wie der Finanznachrichtendienst GoMoPa.net berichtete.
Die Bilanzsumme belief sich zum 4. Februar 2016 auf rund 5 Milliarden Euro. Das Institut weist zum selben Stichtag Verbindlichkeiten gegenüber überwiegend institutionellen Kunden in Höhe von rund 2,6 Milliarden Euro aus; auf Privatkunden entfällt nur ein sehr kleiner Teil.
Die Bank hatte bestätigt, dass die Rückstellung in Zusammenhang mit möglicherweise illegalen “Cum-Ex”-Aktiengeschäften aus den Jahren 2006 bis 2010 steht. Elf ihrer früheren Angestellten stehen im Verdacht, bis zu 450 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben.
Auch die altehrwürdige M.M. Warburg & CO, gegründet 1798, soll in dubiose Cum-Ex-Aktiendeals verwickelt sein.
Deutschlands größte inhabergeführte Privatbank, die M.M. Warburg & CO (AG & Co.) Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Hauptsitz in Hamburg in der Ferdinandstraße 75 zwischen zwischen Thalia-Theater und Binnenalster, steht unter Verdacht der Staatsanwaltschaft Köln und des Bundesfinanzministeriums in Berlin.
Das wäre ein Schock für die Hansestadt, in der die Bank eine Institution ist, eine der Stützen der Wirtschaft. Warburg verwaltet Vermögen wohlhabender Kunden in Höhe von mehr als 50 Milliarden Euro.
Das Kapital der Warburg Bankengruppe liegt in den Händen von wenigen Privatpersonen. Die Familien Olearius und Warburg halten zusammen über 80 Prozent der Anteile und stellen sowohl die Spitzen des Aufsichtsrats als auch der Geschäftsleitung.
Verantwortlich in der Zeit der fraglichen Cum-Ex-Deals waren die heutigen Aufsichtschefs Dr. jur. Christian Olearius (Vorsitzender) aus Hamburg Blankene und Gut Schwanebeck in der brandenburgischen Uckermark und sein Vize Max Marcus Warburg (69), ebenfalls aus Hamburg Blankenese.
Dr. Olearius senior war bis zum 1. Juli 2014 Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter und übergab die Rolle nach 28 Jahren 2014 an seinen Sohn Joachim Olearius (46), der seit 2009 im Vorstand für das Privatkundengeschäft sitzt und dem man nachsagt, dass er lieber als Landwirt das elterliche Gut Schwanebeck in Randowtal führt.
Dr. Olearius senior dementierte am 4. Februar 2018 in der WELT AM SONNTAG und beruhigt:
Wir haben uns keines Steuervergehens schuldig gemacht.
Die WELT AM SONNTAG entgegnete:
Bekannt ist aber ja, dass Rechtsanwalt Dr. Hanno Berger, also der Erfinder der besonderen Techniken bei Cum/Ex-Aktiengeschäften (und in der Angelegenheit auch die Safran Sarasin Bank beriet – Anmerkung der Redaktion), doch mindestens an die sieben Mal in sieben Jahren hier bei Ihnen in der Warburg Bank war. Und das doch nicht, weil der Ausblick bei Ihnen so schön ist.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat im Oktober 2017 Anklage gegen den hessischen Steueranwalt Dr. Berger wegen besonders schweren Steuerbetruges erhoben.
Die Hypo-Vereinsbank (HVB), deren Aktiendeals Gegenstand der Anklage sind, hat als erstes Geldinstitut reinen Tisch bei den Finanzbehörden gemacht. Die HVB zahlte zusammen mit früheren Geschäftspartnern rund 200 Millionen Euro an den Fiskus zurück. Weil die HVB bei der Aufklärung der Cum-Ex-Deals nicht blockierte, sondern kooperierte, kam die Bank mit rund zehn Millionen Euro Bußgeld glimpflich davon.
Damalige Aktienhändler der Bank sollen nun zusammen mit Steueranwalt Hanno Berger wegen dieser Geschäfte vor Gericht kommen. Berger hatte sich Ende 2012 nach einer Razzia bei der HVB in die Schweiz abgesetzt. Er war telefonisch nicht erreichbar.
Olearius senior antwortete:
Herr Dr. Berger und sein Sozius haben uns mehrfach in Hamburg besucht, um uns immer wieder auf Geschäftsmöglichkeiten aufmerksam zu machen, die sie entdeckt zu haben glaubten. Sie wollten uns langfristig beraten. Nach jeder Visite haben wir uns aber entschieden: keine steuerrechtlichen Experimente.
Wir bleiben bei unserem bewährten, traditionellen Aktiengeschäft. Das heißt: Wir kaufen vor dem Dividendenstichtag von Ausländern Aktien, die sich nachweislich in deren Eigentum befinden, und verkaufen diese Aktien Tage später oder behalten sie.
Kurz und schlicht gesagt: Wir haben Herrn Dr. Berger bei jeder Visite sehr höflich und interessiert zugehört. Aber wir brauchten seinen Rechtsrat nicht.
Fatal ist allerdings heute in der Öffentlichkeit die Gleichsetzung von legalem, bewährtem Aktiengeschäft mit illegalen Steuertricks. Sie ist die Ursache all der abenteuerlichen Verlustabschätzungen, die durch die Medien kursieren.
“Also Cum-Ex-Geschäfte sind dafür erdacht worden, um eine Lücke zu nutzen, die dem Staat schadet, und man hat versucht, den Staat hier wirklich auszutricksen”, sagte Frank Tibo gegenüber Panorama. Tibo war Steuerchef der Hypovereinsbank (HVB), die mittlerweile ihre Verwicklungen in Cum-Ex-Geschäfte eingeräumt hat.
Erdrückende Beweislast
Und der Kölner Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Diplomkaufmann Dirk Hildebrandt von WPWatch teilte GoMoPa.net über “die feinen Hamburger Privatbankiers” mit:
Die Beweislast ist aufgrund gefundener Aktenvermerke und Telefonmitschnitte erdrückend.
Ende 2017 hatte das Bundesfinanzministerium in Berlin die Hamburger Finanzverwaltung angewiesen, wegen drohender Verjährung dem Hause Warburg einen Steuerbescheid in Höhe von 56 Millionen Euro zuzustellen.