FCA spricht von „rücksichtsloser Missachtung” – Die britische Finanzaufsichtsbehörde FCA (Financial Conduct Authority) hat ein deutliches Zeichen gesetzt: Gegen den Hedgefonds-Gründer Crispin Odey wurde ein Berufsverbot für die Finanzbranche sowie ein Bußgeld in Höhe von 1,8 Millionen Pfund verhängt. Der Grund: mangelnde Integrität im Umgang mit schwerwiegenden Vorwürfen des Fehlverhaltens gegenüber mehreren Frauen – und der Versuch, interne Disziplinarprozesse gezielt zu behindern.
Rückblick auf die Anschuldigungen
Crispin Odey, einst gefeierter Hedgefonds-Manager und Gründer von Odey Asset Management (gegründet 1991), stand bereits seit Jahren wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe in der Kritik. 2023 berichtete die Financial Times, dass mehrere Frauen Missbrauchs- und Fehlverhaltensvorwürfe gegen ihn erhoben hatten. Odey bestritt die Anschuldigungen mehrfach öffentlich und nannte sie „Unsinn“. Bereits 2021 war er in einem anderen Fall wegen Belästigungsvorwürfen vor Gericht gestanden – und wurde freigesprochen.
Manipulation des eigenen Disziplinarverfahrens
Die FCA bewertet in ihrer aktuellen Entscheidung nicht allein die Vorwürfe selbst, sondern insbesondere Odeys Umgang mit internen Ermittlungen. Nachdem das Führungsgremium von Odey Asset Management 2021 eine Verwarnung wegen „unangemessenen Verhaltens“ ausgesprochen hatte, wurde eine disziplinarische Anhörung angesetzt.
Statt sich dieser zu stellen, nutzte Odey seine Mehrheitsanteile, um das Führungsgremium kurzerhand abzusetzen und sich selbst wieder zum CEO zu ernennen. Die Anhörung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben – und interne Aufklärung bewusst blockiert.
Die FCA spricht in ihrem Bescheid von einem gezielten Versuch, „Disziplinarverfahren zu vereiteln“. Odey habe die Governance-Regeln seines eigenen Unternehmens „rücksichtslos missachtet“, um sich persönlichen Konsequenzen zu entziehen.
Deutliche Worte der Aufsicht
Therese Chambers, Direktorin für Marktaufsicht bei der FCA, wird in der offiziellen Mitteilung deutlich:
„Eine Kultur des Schweigens, in der Fehlverhalten nicht wirksam behandelt wird, gefährdet Verbraucher und Märkte.“
Die wiederholten Versuche, sich der Rechenschaft zu entziehen, offenbarten laut FCA einen „Mangel an Integrität“, der mit einer Tätigkeit in der regulierten Finanzbranche unvereinbar sei.
Odey Asset Management in Abwicklung
Nach den Enthüllungen und zunehmendem Druck hatte Odey Asset Management 2023 die Trennung vom Gründer eingeleitet. Zahlreiche Fonds wurden eingefroren, wichtige Portfoliomanager verließen das Haus. Die Gesellschaft befindet sich mittlerweile in Auflösung.
Crispin Odey selbst hat sich zu dem Urteil bisher nicht öffentlich geäußert. Medienberichten zufolge plant er jedoch, gegen die Entscheidung der FCA juristisch vorzugehen.
Bewertung: Signalwirkung über Großbritannien hinaus
Die Entscheidung der FCA hat weitreichende Bedeutung für die Finanzbranche. Erstmals wird nicht nur der Inhalt von Vorwürfen zum Maßstab gemacht, sondern auch der Umgang eines Machtträgers mit interner Kontrolle und Governance. Der Fall Odey zeigt, wie regulatorische Versäumnisse innerhalb eines Unternehmens zum massiven Reputations- und Systemrisiko werden können – auch unabhängig von strafrechtlichen Urteilen.
In einer Zeit, in der Compliance, Unternehmenskultur und Corporate Governance unter schärferer Beobachtung stehen als je zuvor, dürfte das Urteil international als Präzedenzfall gelten.