Bonnfinanz AG schreibt Finanzgeschichte, aber keine gute. Denn das gab es wohl noch nie. Die mehr als 500 Vermittler (Vertriebspartner) des Strukturvertriebes müssen ihre Provisionen selbst schätzen,
weil die für 10 Millionen Euro neu gebastelte Abrechnungs-Software beim Allfianzdienstleister Bonnfinanz AG für Vermögensberatung und Vermittlung (450.000 Kunden) einfach nicht richtig funktionieren will und voraussichtlich in diesem Jahr wohl auch nicht mehr funktioniert wird.
Dabei haben die beiden Vorstände des Unternehmens, Dirk Benz (43, im Foto links sitzend) aus Pulheim in NRW und Stefan Mertes (39, rechts) aus Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz in einer großen Anzeige vom 14. Dezember 2020 im Magazin Cash Ausgabe 01/2021 noch getönt:
Mit Bonnfinanz ist wieder zu rechnen.
Nachdem die französische Private-Equity-Gesellschaft Blackfin Capital Partners aus Paris mit Büro in Frankfurt am Main der Zurich-Gruppe 2019 die Bonnfinanz abkaufte, war die Außendarstellung recht altbacken, man hatte mit sinkenden Umsätzen zu kämpfen, Berater wanderten ab.
Bonnfinanz AG gab rund zehn Millionen Euro für eine komplett neue, digitale Infrastruktur aus. Warum war das nötig?
Finanz- und IT-Vorstand Stefan Mertes:
Hier lief ein komplett veraltetes System. Man musste vieles mehrfach und von Hand eingeben. Wir haben neue Laptops angeschafft, sind von Lotus Notes auf Microsoft umgestiegen. Es gibt jetzt ein neues CRM-System für die Berater, das alle Kunden- und Produktdaten an einer Stelle bündelt – mit Schnittstelle zum neuen Provisionsmanagementsystem.
Wir haben die komplette IT-Infrastruktur neu aufgebaut.
Nach der Übernahme von Blackfin würden nun sogar Banker Schlange stehen, um sich mit Hilfe der Bonnfinanz AG selbständig zu machen.
Dirk Benz:
60 Prozent unserer Neuzugänge kommen aus Banken und Versicherungen…
Wir können ihnen … alle Vorteile der Selbständigkeit bieten, mit einer Absicherung fast wie im Angestelltendasein.
Wir kümmern uns um … Technik.
Zudem haben wir das vielleicht lukrativste Vergütungssystem in der Branche.
Ja, nirgendwo sonst können Vermittler ihre Provisonsabrechnungen einfach selbst schätzen – weil die Technik eben nicht funktioniert, wie GoMoPa bereits berichtete.
Im Februrar 2021 musste der Vorstand den Bonnfinanz AG-Vermittlern mitteilen:
Die rückwirkende Korrektur der im Januar versandten Abrechnung mit den Buchungen für die Monate 9-12/2020 wird sich voraussichtlich noch über das Q1/2021 erstrecken, so dass wir erwarten, anschließend eine abschließende Abrechnung bereitstellen zu können.
Der Düsseldorfer Branchendienst kapital-markt intern merkte dazu am 5. März 2021 an:
Bekanntlich warten die Vermittler seit September 2020 auf korrekte Provisionsabrechnungen, nachdem man offenbar ein halbfertiges neues EDV-System implementierte, ohne dieses zuvor in ausreichendem Maße in einem Testbetrieb auf mögliche Fehlerquellen hin zu überprüfen.
Kleinlaut teilte der Bonnfinanz-Vorstand um Dirk Benz im Februar 2021 mit:
Wir werden im Laufe des Februar 2021 und auch in den kommenden Monaten eine monatliche Provisionsabrechnung für den Vertrieb bereitstellen, auch wenn diese weiterhin bereits bekannte Fehler aufweisen sollten.
Da man offenbar völlig mit seinem Latein in Bonn am Ende ist, durften die Berater ihre Finanzberaterbonifikation und andere Sonderzahlungen mal so eben auf einer “Eigeneinschätzung” bei der Bonnfinanz anmelden.
k-mi kommentierte:
Wenn denn schon EDVmäßig nichts mehr richtig klappt, dann hilft halt nur noch der gute alte Schätzwert per Zuruf!
Uns beschleicht das ungute Gefühl, dass der Bonnfinanz-Führung die Lage vollkommen entglitten ist.
Finanzvertrieb ist nun mal nicht so trivial, wie sich das die Heuschrecken-Manager der Bofi-Mutter BlackFin Capital-Partners vermutlich bei Kauf des Ladens ausgemalt haben mögen.
Dennoch ist Vorstand Dirk Benz der festen Überzeugung:
Das nächste Jahrzehnt wird das Jahrzehnt der Bonnfinanz!
Es gibt ein unheimlich solides Fundament. Und weil in den vergangenen Jahren vieles liegen geblieben ist, hat sich da etwas aufgestaut, das jetzt raus will. Diese Energie lassen wir nun los.
Vielleicht hilft ja die neue Verstärkung im Vorstand. Seit Januar 2021 soll sich Claus Gillen (55) als neues Vorstandsmitglied um das Ressort Produkte & Märkte kümmern. Der Grünwalder Kaufmann war seit 2014 im Vorstand des bayerischen, sehr versierten Tech-Advisors FiNUM.Finanzhaus AG in Grünwald. Nun denn…