Gibraltars Regierungschef war nicht in der Lage zu sagen, wie viele Hedge-Fonds-Manager schon einen privaten Sonderstatus als “High Executives” auf Gibraltar haben. Aber die Zahl der angesiedelten Hedgefonds auf der Halbinsel ist von 20 im Jahre 2006 auf jetzt 150 angewachsen. Die Geschäftsführer dieser Fonds verwalten Vermögenswerte in Höhe von 3 Milliarden Britischen Pfund (rund 3,5 Milliarden Euro).

 

Von den Cayman Islands in der Karibik mit 9.400 Hedgefonds, die 756 Milliarden Euro verwalten, ist man auf Gibraltar noch weit entfernt.

Jedoch haben die Cayman Islands an Vertrauen bei Managern und Investoren verloren, seit der britische Schatzkanzler, George Osborne (41) von der Konservativen Partei, am 2. Mai 2013 verkündete: Die karibischen Überseegebiete Bermuda, Cayman Islands, British Virgin Islands (Jungferninseln), Anguilla, Montserrat sowie Turks und Caicos, aber auch die in der Irischen See gelegene Isle of Man müssen künftig automatisch Details zu den Inhabern von Bankkoten sowie zum Umgang damit dem britischen Finanzministerium melden.

Und Britannien hat sich verpflichtet, diese Informationen mit vier weiteren Ländern zu teilen: Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien.

Deutschland braucht jetzt also nicht mehr in der Karibik nach Konten deutscher Steuersünder fischen, sondern bekommt sie von London frei Haus geliefert.

Gibraltar wurde vom Schatzkanzler nicht erwähnt. Außerdem mache es Gibraltar den Hedgfondsmanagern besonders leicht, ansässig zu werden: Die Hürden für die Gründung eines Hedgefonds auf Gibraltar sind niedriger als anderswo. Erfahrene Investoren können binnen weniger Tage einen sogenannten Experienced Investor Fund (EIF) aufmachen. Als erfahren gilt, wer über das entsprechende Kapital verfügt: eine Million Euro genügt.

Zum ersten Mal gab die Gibraltar Funds and Investments Association (GFIA) dieses Jahr auch ein 48-seitiges Handbuch für Investoren heraus, indem auf die besonderen Vorteile von Gibraltar als Offshore-Territorium mit EU-Mitgliedschaft verwiesen wird.

Keine Steuern auf Gewinnausschüttungen nach Deutschland oder in andere EU-Staaten oder umgekehrt:

 

Fondsmanager könnten von Gibraltar aus ihre Dienstleistungen im gesamten EU-Binnenmarkt anbieten, ausländische Steuern könnten dabei oft vermieden werden.

Es gilt die vorteilhafte EU-Mutter-Tochter-Richtlinie, nach der auf ausgeschüttete Gewinne zwischen Gesellschaften in verschiedenen EU-Ländern keine Quellensteuer erhoben werden darf.

Auch die EU-Fusionsrichtlinie, bei der Gesellschaften über Ländergrenzen hinweg steuerneutral verschmolzen werden oder sich gegenseitig Eigentum übertragen können, gilt auch für das Steuerparadies Gibraltar.

Gibraltar ist nicht gewillt, von seiner Steuerpolitik abzurücken. Finanzdienstleistungen sind neben dem Tourismus die größte Einnahmequelle des Territoriums. Sie machen rund ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts aus.

Für Otto-Normal-Verdiener oder für Millionäre ohne den Sonderstatus als “High Executives mit besonderen Fähigkeiten” lohnt sich ein persönlicher Wohnsitzwechsel nach Gibraltar kaum. Die Durchschnittseinkommenssteuer für Einwohner und auch für einheimische Firmen liegt bei 30 Prozent.

Aber wer steuerfreie Gewinne kassieren möchte, ohne, dass jemand Fremdes davon etwas mitbekommt, der kann ganz legal auf Gibraltar eine Firma gründen, die nicht einmal vor Ort geführt werden muss, die keines einheimischen Direktors oder Aktionärs bedarf und auch keinen Mindestkapitalbetrag als Grundstock vorschreibt.

 

Natürlich erscheint die Firma im Handelsregister. Aber es ist erlaubt, die Firma mit einem Nominee Director zu gründen, der zugleich auch der einzige Aktionär ist und auch nur eine Aktie mit einem Nennwert meiner Wahl besitzt. Nur dieser Stellvertreter-Direktor und Aktionär erscheint im Handelsregister.

Fragt ein deutscher Steuerfahnder wegen eines Verdachts auf Steuerhinterziehung auf Gibraltar an, wird Gibraltar bei aller Transparenz nicht den gesuchten Namen finden können.

Es besteht keine Verpflichtung für Direktoren oder Aktionäre, Versammlungen auf Gibraltar abzuhalten. Ein-Mann-Gesellschaften sind auch möglich. Die Buchhaltung muss nicht auf Gibraltar erfolgen.

Diese ausländische Firma auf Gibraltar (Non Resident Incorporation) ist von allen lokalen Steuern befreit.

Die Firma Fletcher Kennedy Limited aus der Grafschaft Surrey im Süden Englands bietet ein Gründungspaket einer Non Resident Incorporation auf Gibraltar zum Preis von 648 Pfund an (rund 763 Euro).

Die Firmengründung dauert bei diesem Paket 3 Tage. Im Preis inbegriffen sind eine lokale Sekretärin für einfache Verwaltung und ein lokaler Agent, der sich um alles kümmert. Zum Paket gehören das Vorbereiten und Einreichen aller Unterlagen, die Gibraltar Regierungs Lizenz, ein Sitz (registriertes Büro), beglaubigte Kopien von Dokumenten und ein internationaler Versand.

Wer nicht als Direktor der Firma mit eigenem Namen und eigener Adresse in Erscheinung treten möchte und auch keinen Stellvertreter für sich hat, bekommt für einmalig 350 Pfund (rund 412 Euro) extra einen Nominee-Director gestellt.

Ein Nominee-Shareholder (mindestens ein Aktionär ist vorgeschrieben) bekommt man für 140 Pfund (rund 165 Euro), wenn man nicht selbst in Erscheinung treten möchte und keinen Vertrauten hat.

Ein Business-Bankkonto wird von Fletcher Kennedy Limited für 320 Pfund (rund 377 Euro) besorgt.

Beliebt sind Handelsunternehmen, Holdings, Vermögensverwaltungen, Schiffseigner oder -betreiber und Investmentfirmen.

Die Bundesregierung Deutschland hat auch eine Firma auf Gibraltar.

Einer, der die besondere Koppelung von Steuerfreiheit und strenger EU-Reglementierung auf Gibraltar zu schätzen weiß, ist die Bundesregierung Deutschland. Laut aktuellem Bundesbeteiligungsbericht 2012, den das Bundesfinanzministerium am 21. März 2013 veröffentlichte, besitzt der Bund als Sondervermögen 100 Prozent Anteile einer Arriva Insurance Company (Gibraltar) Limited in der Suite 913 b im Europort Gibraltar.

Das Nennkapital und zugleich der Anteil des Bundes beträgt 20 Millionen Britische Pfund (rund 23,56 Millionen Euro). Laut Bundesbeteiligungsbericht wird die Firma von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn beaufsichtigt. Director dieser Firma ist ein David Turner.

Er wirtschaftet sehr erfolgreich. Die Arriva Insurance Company (Gibraltar) Limited fungiert als EWR Europäischer Wirtschaftsraum Dienstleister und schließt Versicherungsgeschäfte im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ab, zum Beispiel Schienenfahrzeug-Kasko, Allgemeine Haftpflicht, Absicherung verschiedener finanzieller Verluste. Laut Hoovers (einer D&B Firma) hat die Arriva Insurance Company (Gibraltar) Limited ein Jahreseinkommen von 10,4 Milliarden Dollar (rund 7,9 Milliarden Euro). Der Jahresüberschuss betrug zuletzt 1,7 Millionen Dollar (rund 1,3 Millionen Euro). Ganz legal steuerfrei, versteht sich.

Auch bwin.de ist auf Gibraltar.

Die Bundesregierung befindet sich damit in trauter Gesellschaft mit dem europäischen Livewetten-Marktführer bwin.de, bei dem man per Videostream im Internet während eines Fußballspiels wetten kann, ob es ein Foul, Elfmeter oder eine Gelbe Karte gibt. Die Buchmacher sitzen in Wien bei der bwin Interactive Entertainment AG. Das Jahreseinkommen liegt weit über 2 Milliarden Euro. Dank Gibraltar sind die Gewinne auch hier legal steuerfrei. Nun denn…