Ach was hatten sich Marco Steinfatt und Thomas Eichenberg, die beiden Geschäftsführer von Deutschlands Internet-Neuwagenvermittler MeinAuto.de aus Köln, gefreut.
Mit dem heutigen Börsengang der Münchener Muttergesellschaft MeinAuto Group AG aus Oberhaching in Bayern sollten drückende Schulden der 2007 gegründeten MeinAuto GmbH getilgt werden. Und dann sollten außerdem 150 Millionen Euro für das Wachstum des Online-Vermittlers, über den bislang 400 deutsche Autohändler Neuwagen verkaufen, in die Kasse gespült werden. Das Portal bearbeitet mehr als eine halbe Million Kaufanfragen im Jahr.
Geplant waren unter anderem Investitionen in Online-Marketing und Branding sowie in die Erweiterung des Fahrzeugpools.
Zunächst sah es gut aus: Schon vor dem eigentlichen heutigen Börsenstart waren die Aktien-Orders überzeichnet.
Doch dann zog der britische Mehrheitseigner Hg Capital aus London und München einen Tag vor dem Start die Notbremse und blies den ganzen Börsengang kurzerhand ab. Die Erstausgabe der Wertpapiere werde verschoben, teilte das Unternehmen mit.
Es gab zu viele Warnhinweise.
Der Hauptgrund war wohl die Angst vor einem Absturz nach einem kurzen Höhenflug, der Hg Capital zu diesem schmerzhaften Schritt bewog.
Anfang 2018 war die Beteiligungsgesellschaft Hg bei Meinauto.de eingestiegen. Ex-Sixt-Vorstand Dr. Rudolf Rizzolli, der sowohl Hg leitet und der MeinAuto Group AG vorsteht, spielte dabei eine entscheidende Rolle, nicht zuletzt mit seinem Know-how, wie GoMoPa berichtete.
Ausgerufenes Ziel: die Marktführerschaft im Online-Neuwagen-Autohandel. Die Geheimwaffe: Ausbau des Leasing-Geschäfts gegenüber dem Bar-Verkauf, was für MeinAuto.de bis zum Hg-Einstieg Neuland war.
Auch sollten Händler ihre Autos noch einfacher, effizienter und profitabler über MeinAuto vermarkten können. Neben den überregionalen Neuwagenangeboten von MeinAuto.de können Fahrzeuginteressenten von bis zu drei Partnerhändlern aus ihrer Region mit Angeboten kontaktiert werden. Diese Automobilhändler kooperieren über den Produktbereich MeinAuto local mit der MeinAuto GmbH.
Gestern meldete nun die MeinAuto Group AG relativ kurz und trocken:
Die MeinAuto Group AG (“MeinAuto Group”) hat gemeinsam mit Hg entschieden, den geplanten Börsengang zu verschieben.
Grund dafür sind die derzeit ungünstigen Marktbedingungen für wachstumsstarke Unternehmen.
Die Bücher waren bereits am ersten Tag des Bookbuildings gefüllt und einschließlich der Mehrzuteilungsoption in voller Höhe überzeichnet.
Die MeinAuto Group und Hg legen großen Wert auf eine positive Entwicklung der Aftermarket-Performance nach der Platzierung der Aktien an der Frankfurter Wertpapierbörse, die unter den aktuellen Marktbedingungen nicht gewährleistet werden kann.
Die Erstnotierung der Aktien der MeinAuto Group am Regulierten Markt (Prime Standard) der Frankfurter Wertpapierbörse war ursprünglich für den 12. Mai 2021 geplant.
MeinAuto Group und Hg streben weiterhin eine Notierung an der Frankfurter Wertpapierbörse an, sobald sich die Marktbedingungen stabilisieren.
Insgesamt bis zu 515 Millionen Euro wollten MeinAuto und der Großaktionär Hg Capital mit dem IPO einnehmen. Das Unternehmen, das 2018 aus der Fusion des Kölner Start-ups MeinAuto.de, dem Flottenleasing-Unternehmen Mobility Concept und ass-team.net (Athletic Sport Sponsoring), einem Vermittler von gesponserten Fahrzeugen, entstanden ist und dieses Jahr zu einer Aktiengesellschaft mutierte, hätte am oberen Ende der Preisspanne einen Börsenwert von 1,5 Milliarden Euro erreichen können.
Da momentan insbesondere die Technologie- und Wachstumsunternehmen deutlich unter Druck stehen, sieht das Oberhachinger Unternehmen dies nicht mehr gewährleistet.
Wie ungünstig das Marktumfeld insbesondere für Online-Autohändler ist, zeigt ein Blick auf die Konkurrenz:
Auto1 hat alleine in dieser Woche in der Spitze fast zehn Prozent an Wert verloren. Das US-Pendant Carvana befindet sich schon seit gut zwei Wochen in einer Abwärtsbewegung und hat seither gut 19 Prozent eingebüßt.
Offenbar befürchtete Hg Capital ein ähnliches Szenario beim Börsengang des eigenen Portfoliounternehmens.
Statt der anfang Mai angekündigten 20 Euro je Aktie brachten die beauftragten Banken das Papier nur zu 16 Euro ins Spiel. Das hätte Hg Capital nur 412 statt der geplanten 515 Millionen Euro eingebracht. Der Börsenwert hätte bei 1,2 statt der geplanten 1,5 Milliarde Euro gelegen.
Nach dem Börsengang wäre der Finanzinvestor noch mit rund 65 Prozent an der Online-Plattform beteiligt geblieben und hätte die restlichen Anteile nach und nach über den freien Markt veräußern können. Komplett vom Tisch ist der Börsengang aber nicht: Sobald sich die Marktbedingungen stabilisieren, will Hg den IPO wieder ins Visier nehmen. Nun denn…