Die unredlichen Treuhänder von Liechtenstein: Der Fürstliche Justizrat und einst höchste Verfassungsrichter des Landes Rechtsanwalt und Treuhänder Harry Gstöhl (70) aus Vaduz wurde am 18. Oktober 2018 zu zwei weiteren Jahren Haft und damit zu insgesamt acht Jahren Haft verurteilt.
Bereits im November letzten Jahres war Gstöhl nach einem Geständnis für die Veruntreuung von 11,4 Millionen Euro zu sechs Jahren Haft wegen schweren Betruges, Untreue und Geldwäsche verurteilt worden. Gegen die Höhe der sechsjährigen Haftstrafe hat Gstöhl Revision eingelegt.
Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein hat am 10. Januar 2006 Harry Gstöhl auf Schloss Vaduz zur Titelverleihung empfangen. Dem Geehrten wurde für besondere Verdienste um das Land Liechtenstein der Titel Fürstlicher Justizrat verliehen.
Harry Gstöhl war in den Jahren zuvor und auch danach in verschiedenen wichtigen öffentlichen Ämtern tätig. Von 1982 bis 1992 war er Präsident der Verwaltungsbeschwerdeinstanz (heute Verwaltungsgerichtshof) und von 1992 bis 2004 Präsident des Staatsgerichtshofes (Verfassungsgericht).
Die Regierung hat Harry Gstöhl im Januar 2007 zum liechtensteinischen Mitglied in der Europäischen Kommmission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) bestellt.
Die seit dem Mai 1990 bestehende Venedig-Kommission befasst sich mit verfassungsrechtlichen und gesetzgeberischen Massnahmen der 50 Mitglieds- und 9 Beobachterstaaten, mit Wahlen und Referenda sowie mit der Zusammenarbeit mit den Verfassungsgerichten. Liechtenstein ist seit 1991 Mitglied der Venedig-Kommission.
Am 6. September 2016 wurde über Harry Gstöhl aufgrund der Intervention von Dr. Helmut Schwärzler von der Kanzlei Schwärzler Rechtsanwälte aus Schaan die Untersuchungshaft verhängt.
“Mit einer Deliktsumme von über 40 Millionen Franken (35,1 Millionen Euro – Anmerkung der Redaktion) erlebt Liechtenstein derzeit einen seiner grössten Betrugsfälle”, schrieb das Liechtensteiner Vaterland am letzten Samstag (27. Oktober 2018). “Insgesamt 30 Geschädigte gibt es in dem Fall von Wirtschaftskriminalität, der ganz Liechtenstein erschütterte.”
Die Kanzlei Schwärzler Rechtsanwälte “versucht nun, im Zivilrechtsweg das bestmögliche Ergebnis für die Mandanten zu erreichen.”
Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand, so der Leitende Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Liechtenstein, Dr. Robert Wallner, droht den Geschädigten der Totalverlust.
Der nächste Fall folgte sogleich: New Haven
Gstöhls Berufskollege Mario Staggl (53) sitzt seit April 2018 in Untersuchungshaft. Dem Chef der New Haven Treuhand AG und Director der New Haven Trust Company in Schaan und zugleich Pächter der Szenebar Esquire am Fuss von Schloss Vaduz wird Untreue, Veruntreung, gewerbsmäßiger Betrug und Geldwäsche vorgeworfen.
Gegen seine Frau Nicole Staggl Öhninger (44) wird in dem Betrugs- und Veruntreuungssskandal wegen mutmasslicher Geldwäsche ermittelt.
Anfang April 2018 hatte ihn ein Mitarbeiter seiner Treuhandgesellschaft angezeigt. Unterlagen, die Capital vorliegen, zeichnen das Bild eines Mannes, der sich schamlos an den Konten seiner Mandanten bediente.
Darunter war auch ein deutscher Trust, von dem Staggl 241.033 Euro auf das Konto seiner New Haven überwies. Angeblich als “Überbrückungsdarlehen”, das er innerhalb der nächsten drei Monate zurückzahlen wollte. Seit zwei Jahren sei das nicht geschehen, heißt es in den Dokumenten.
Insgesamt geht es um mehrere Millionen Euro, die Staggl veruntreut haben soll. Mal kleinere Beträge im fünfstelligen Bereich, mal mehrere Millionen.
Nachdem er das Konto eines Trust fast leer geräumt hatte, von diesem aber plötzlich eine Zahlung in Höhe von 1,77 Millionen Euro anweisen sollte, bediente Staggl sich für die Überweisung einfach eines anderen Kontos.
Einige der Zahlungen, die auch auf Staggls Privatkonto landeten, habe er als “Spezialhonorare” intern gerechtfertigt, heißt es. Die Mandanten waren ahnungslos. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, müsste auch Staggl mit einer mehrjährigen Haftstrafe rechnen.
Den Gesamtschaden im Fall Staggl schätzt der Leitende Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Liechtenstein, Dr. Robert Wallner, auf 13,14 Millionen Euro.
Dokumente, die BILANZ aus der Schweiz vorliegen, deuten hingegen auf 17,52 bis 21,9 Millionen Euro.
Rund 60 Anleger sind betroffen.
Hauptgeschädigte sind ein kanadischer Minenbesitzer mit rund 8,76 Millionen Euro, ausserdem ein israelischer Bauunternehmer und ein britischer Geschäftsmann.
Staggl führte zwei Treuhandgesellschaften, den Salamander Trust in Zürich und den New Haven Trust in Schaan (inzwischen ebenfalls in Konkurs). Die Treuhandkonti registrierte er bei der Neuen Bank in Vaduz, mit 4,78 Milliarden Euro Assets under Management die viertgrösste Bank des Landes.
Private Rechnungen von Treuhandkonti bezahlt
Über Jahre hinweg, so der Vorwurf, soll Staggl das Treuhandvermögen für seinen privaten Lebensstil zweckentfremdet haben – anfangs soll er ihm anvertraute Gelder auf sein eigenes Konto überwiesen haben, später seine privaten Rechnungen direkt von den Treuhandkonti bezahlt haben:
Etwa 229.510 Euro an die Amag für einen neuen Bentley, das Schulgeld für die Kinder, Catering für Partys oder die Unterhaltskosten für seine Immobilien in Dubai, Portugal und Montafon.
Jedes Jahr am 23. Dezember soll Staggl zwischen 43.800 und 96.360 Euro abgehoben haben, vermutlich für Weihnachtsgeschenke. Den Kunden schickte er statt Kontoauszügen nur selbst erstellte Excel-Tabellen.
Der Kontoauszug des Hauptgeschädigten zeigt: Knapp 2,63 Millionen Euro Miese auf einem Konto, auf dem eigentlich noch 6,13 Millionen Euro liegen sollten.
Ein Toter hat einen Stapel Blankoformulare hinterlassen.
Dass die Neue Bank derartige Transaktionen von einem Trust mit dem Zweck der langfristigen Vermögensbildung ausführte, erstaunt. “Dass ein vermögender Kontoinhaber durchaus manchmal ein Auto kauft, ist nicht unbedingt ungewöhnlich”, sagt Pietro Leone, Geschäftsleitungsmitglied der Neuen Bank. “Bis heute, einschliesslich der nunmehrigen Entwicklungen, ist der Bank keine Kritik an ihrem Kontrollsystem bekannt.”
Doch die notwendige Zweitunterschrift für die Transaktionen leistete Mario Staggls Kompagnon Klaus Biedermann. Selbst nach dessen Tod im April 2016 tauchte seine Unterschrift noch auf den Bankanweisungen auf – vermutlich hatte er Staggl einen Stapel Blankoformulare hinterlassen.
Der Neuen Bank fielen die postumen Signaturen nicht auf.
Leone:
Unterschriftsberechtigungen werden von der Bank sofort gelöscht, wenn sie vom Tod der entsprechenden Person erfährt. Voraussetzung ist natürlich, dass sie davon erfährt.
Nun hat die Bank ein Geldwäschereiverfahren am Hals.
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