Peinlich ist es schon, wenn eine Wirtschafsprüf-Gesellschaft einem Ex-Wirtschaftsprüf-Kollegen bescheinigt, dass dessen Umsatzerlöse und Aufwendungen offenbar viel zu hoch seien.
Im März 2020 hatte der ehemalige ARTHUR ANDERSEN-Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (die Wirtschaftsprüfgesellschaft kollabierte 2002 im Gefolge der Bilanz-Fäschungs-Ermittlungen gegen den amerikanischen Energiekonzern Enron) Thomas Hetmann (58) aus Gauting bei München den Geschäftsführerposten bei der Gautinger BMW i3-Batterieausrüsterin LION Smart GmbH (Materialpreis 8.300 Euro pro Auto) übernommen.
Auffällig in seiner Bilanz 2020 war zunächst einmal die Explosion der Personalkosten gegenüber dem Vorjahr um 183 Millionen Euro auf nunmehr 2,34 Millionen Euro.
Und das erstens, obwohl Hetmann ab anfang Juli 2020, also die Hälfte des Jahres, ganz allein agierte. Im Vorjahr gab es noch 2 (teure) Geschäftsführer.
Und das zweitens, obwohl die LION Smart GmbH auch unter seiner Leitung nicht aus den Dauer-Jahresverlusten herauskam, im Gegenteil:
Das kumulierte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) betrug zum 31. Dezember 2020 minus 1,071 Millionen Euro und liegt sogar noch höher im Minus als im Vorjahr (2019: minus 917.000 Euro).
Hetmann begründete die erhöhten Personalkosten noch am 6. Mai 2021 in einer Pressemitteilung mit höherem Umsatz:
Die Erhöhung des Personalaufwandes gegenüber dem Vorjahr ist insbesondere vor dem Hintergrund des deutlich gestiegenen Geschäftsvolumens zu sehen.
Doch eine Woche später teilte die Berliner KPMG AG der LION Smart GmbH am 12. Mai 2021 mit, dass die Prüfer für den Jahresabschluss 2020 nur ein eingeschränktes Testat ausstellen können.
Das ist besonders ärgerlich für die börsennotierte Schweizer Muttergesellschaft LION E-Mobility AG aus Baar, die ihre 100prozentige deutsche Tochter seit Jahren mit Darlehen am Leben hält.
Dort ist Thomas Hetmann Managing Director und Mitglied des Verwaltungsrates. Auch für die LION E-Mobility AG hat Hetmann die Berliner KPMG AG als Wirtschaftsprüfer für den Abschluss 2020 bestellt.
Hetmann befürchtet nun, dass nun auch für das Börsenunternehmen ein eingeschränktes Testat ausgestellt werden könnte.
Und für ihn ist das KMPG-Prüfergebnis wohl am schmerzlichsten:
LION E-Mobility AG-Ankerinvestor und Mehrheitsaktionär Ian Mukherjee, der 2018 nach 13 Jahren seinen einst 1,5 Milliarden Euro schweren Londoner Schwellenländer-Hedgefonds Amiya Capital aufgelöst hat, hat im Oktober 2020 als Kapitalerhöhung wiederholt für 2 Millionen Euro 670.000 neu emittierte Namensaktien (3 Euro je Aktie) gekauft, wodurch jetzt rund 10 Millionen Aktien gelistet sind.
Die Umsatzerlöse der Tochtergesellschaft LION Smart GmbH seien aus Sicht der Prüfer viel zu hoch angegeben.
Die Firma habe 17,3 Millionen Euro Umsatzerlöse in ihren Büchern. Doch aus Sicht von KPMG sei dieser Buchwert falsch, er müsste um 11,8 Millionen Euro auf 5,5 Millionen Euro gesenkt werden.
Zur Begründung gab KPMG an: LION Smart sei nicht der Hersteller und Verkäufer des BMW i3 (Neupreis 37.550 Euro), der seit 2013 im BMW-Werk Leipzig für die ganze welt produziert wird – am 15. Oktober 2020 lief der 200.000ste vom Band.
Bei der Prüfung des Umsatzausweises geht die KPMG davon aus, dass die LION Smart GmbH den Umsatz nicht in voller Höhe der tatsächlichen Rechnungsstellung an den Kunden (Prinzipal, sogenannter Bruttoausweis), sondern, da nach KPMG Sicht nur als Vermittler tätig, lediglich einen verminderten Wert als Umsatz ausweisen dürfe (Agent, sogenannter Nettoausweis).
KPMG ist der Auffassung, dass LION Smart GmbH nicht über eine ausreichende Kontrolle der Batterien verfügt, bevor sie in das Eigentum und die wirtschaftliche Verfügungsmacht des Kunden übergeht. Insofern behandelt sie die LION Smart GmbH bei der Lieferung der Batterien als Agent mit der Konsequenz, dass nur die Marge (Verkaufspreis – Einkaufpreis) aus diesem Geschäft als Umsatz ausgewiesen werden darf.
Insgesamt sind nach Auffassung von KPMG daher wie erwähnt die Umsatzerlöse von 17,3 Millionen Euro um 11,8 Millionen Euro zu kürzen und somit nur Umsatzerlöse von 5,5 Millionen Euro auszuweisen.
Auch die Materialauwendungen seien gar nicht so hoch, wie angegeben.
Gleichzeitig sind laut KPMG die Materialaufwendungen um 11,8 Millionen Euro zu kürzen und mit 2,2 Millionen Euro auszuweisen.
Die LION Smart GmbH hat sich dazu entschieden, den eingeschränkten Bestätigungsvermerk zu akzeptieren, sieht sich jedoch wirtschaftlich uneingeschränkt als Prinzipal und Entrepreneur.
In der Begründung führt LION Smart an:
Neben den umfangreichen Entwicklungsleistungen umfasst dies die allumfängliche Betreuung des jeweiligen Kunden sowie die Umsetzung der Elektrifizierung durch BMW i3 Batterien. LION Smart ist weiter der Überzeugung, dass die Entwicklungsleistungen und der Verkauf von BMW i3 Batterien einheitlich zu betrachten sind und nicht separat zu bilanzieren ist.
Zugleich räumt LION Smart ein:
Bei der rechtlichen Strukturierung wurde bei den Verträgen des Geschäftsjahres 2020 sichergestellt, dass keine zusätzlichen Risiken beim Übergang der Batterien an den Kunden von der LION Smart übernommen werden. Die Risiken obliegen dem jeweiligen Kunden, der für die Logistik und die Abholung der Batterien selbstständig verantwortlich ist.
Im Hinblick auf das Geschäftsjahr 2021 strebt die Gesellschaft nun nach eigenen Angaben einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk an:
In diesem Zusammenhang arbeitet man gemeinsam mit KPMG und Juristen daran, die marginalen Änderungen der zugrundeliegenden Verträge mit unseren Kunden um die formal erforderlichen Anforderungen (Control Konzept) zu erfüllen und die Stellung eines Prinzipals auch unter bilanziellen Anforderungen sicherzustellen.
Solidarität darf Hetmann von seinen Berufskollegen von KPMG nicht erwarten, in Deutschland fusionierte der größte Teil des einstigen ARTHUR ANDERSEN-Unternehmens mit Ernst & Young, die gerade im Wirecard-Skandal im Feuer stehen und bei denen die Konkurrenten KPMG schließlich als Sonderprüfer im April 2020 fehlende Belege zu scheinbaren Kundenbeziehungen bemängelten und somit die testierenden EY negativ vorführten, wie GoMoPa berichtete.
KPMG-Chefprüfer Gerhard Bischoff erklärte GoMoPa-Reportern auf einem Seminar für Wirtschaftsjournalisten schon 2012 in Berlin, dass dem Prüfer drei Jahre Haft drohen, würde er bei Unschlüssigkeiten kein eingeschränktes Testat ausstellen.
Für KPMG ist das Ganze kein Neuland: Einen ähnlichen Streit zur Frage nach Prinzipal oder Agent führte der Prüfer vor gut einem Jahr mit dem Münchner IT-Dienstleister Cancom SE (CEO Rudolf Hotter, Vorstand Thomas Stark). Das Unternehmen musste seinen Umsatz daraufhin rückwirkend nach unten korrigieren, wie das Frankfurter Finance-Magazin meldete. Nun denn…