Die baden-württembergische Reich-Gruppe (Konsortium AG) aus Heidenheim an der Brenz versucht, die im Dezember 2020 beschlossene Geltendmachung von Schaden-Ersatzansprüchen der bayerischen Karwendelbahn AG aus Mittenwald gegen sie wieder rückgängig zu machen.
Erstens mit einer Klage beim Landgericht München I – Kammer für Handelssachen, die dort bereits unter dem Aktenzeichen 5 HK O 723/ 21 geführt wird. Ein Termin zur Güteverhandlung ist noch nicht bestimmt worden.
Und zweitens mit der Einberufung einer Wiederholungs-Hauptversammlung am 12. März 2021 im Melia Berlin in der Friedrichstraße 103, die am 1. Februar 2021 im Bundesanzeiger bekannt gemacht wurde.
Bei der Karwendelbahn AG handelt es sich um Deutschlands zweithöchste Bergbahn in Mittenwald. Die Seilbahn zählt – neben den vielen Geigenbauern in Mittenwald – zu ihren wichtigsten Attraktionen. Sie liegt in einer bei Touristen beliebten Region an der Grenze zu Österreich. Im Augenblick ist sie coronabedingt voraussichtlich bis 7. März 2021 geschlossen.
Die nicht börsennotierte Karwendelbahn Aktiengesellschaft betreibt neben der Bergbahn auch das Stüberl im Tal, sowie die Berggaststätte auf 2.244 Metern Höhe. Darüber hinaus ist die Karwendelbahn AG Eigentümerin von bisher sechs Ferienwohnungen.
Der größte Aktionär mit fast der Hälfte der Stückaktien ist die Konsortium AG. Sie hat ihren Anteil aber kurz vor der letzten Dezember-Hauptversammlung 2020 auf unter 25 Prozent gesenkt, aber nicht bekannt gegeben, wer die anderen Prozent nun hält.
Hinter der Konsortium AG steht der Unternehmer Wolfgang Wilhelm Reich, Chef der verzweigten Reich-Gruppe, 40 Jahre alt und ehemaliger Spitzen-Degenfechter.
Außerdem sein 70jähriger Vater Wolfgang Erhard Reich, Anwalt und Wirtschaftsprüfer. Reich junio ist Vorstand, Reich senior ist Aufsichtsratsvorsitzender der Karwendelbahn AG.
Der zweitgrößte Aktionär mit knapp einem Drittel ist die bayerische Gemeinde Markt Mittenwald.
Der Mittenwalder CSU-Bürgermeister Adolf Hornsteiner (58), der voriges Jahr von Rettungssanitäter Enrico Corongiu (42, SPD) als Bürgermeister abgelöst wurde, und die Investorenfamilie Reich streiten seit 3 Jahren um die berühmte Karwendelbahn. Bislang ging es lediglich um Fragen, ob die Seilbahn-Kasse stimmt, wer korrekte betriebswirtschaftliche Informationen liefert, wer neue Technik finanziert oder ob Anteile verkauft werden -und zu welchem Preis.
Im Frühjahr letzten Jahres scheiterte ein Aufsichtsrat, in dem die Reichgruppe die Mehrheit. Er hatte gegen eine Entnahme von 1 Millione Euro durch den Vorstand Wolfgang Wilhelm Reich geklagt, weil die Karwendelbahn das Geld dringend für Reparaturen bräuchte. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, weil der Aufsichtsrat keine Aktien besitzt, und nur ein Aktionär dürfte eine solche Klage durchführen. Sieg für die Reich-Gruppe.
Doch nun geht es
um einen öffentlich angeleierten Aktienverkauf für eine Brauerei ohne Baugenehmigung mitten im Naturschutzgebiet,
das Aufstellen eines Mobile-Homes im Tal an der Bergstation und
um teure Bauplanungen eines Münchener Architektenbüros für ebenfalls gar nicht genehmigungsfähige Bauvorhaben.
Punkt 1: Die Karwendelbahn AG hat beschlossen, sich die Kosten für eine “rechtswidrige Errichtung einer Brauerei und Brennerei auf dem Karwendel” vom amtierenden Vorstand Wolfgang Wilhelm Reich zurückzuholen.
In der Begründung heißt es:
Alle Handlungen von Herrn Wolfgang Wilhelm Reich zur Gründung einer Brauerei und Brennerei und zum Vertrieb ihrer Erzeugnisse waren und sind somit pflichtwidrig.
Daneben ist die Umsetzung des Vorhabens formell baurechtswidrig, da hierfür nicht einmal ein Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung gestellt wurde.
Würde dieser gestellt, dürfte er abgelehnt werden, da sich das Vorhaben in 2.244 Metern Höhe im baurechtlichen Außenbereich befindet und ihm u. a. Gründe des Naturschutzes und wasserrechtliche Gründe entgegenstehen.
Unterdessen haben bereits Bauarbeiten auf dem Karwendel zum Einbau der Brauerei und Brennerei begonnen. Fotos, die dem Markt Mittenwald vorliegen, zeigen auf dem Karwendel einen Anbau zu der Bergstation mit Satteldach und einer Veranda, dessen Breite zirka sieben Meter beträgt.
Nach dem Markt Mittenwald vorliegenden verlässlichen Informationen sollen die Arbeiten von Mitarbeitern der KK Immobilien Fonds I GmbH & Co. KG a.A. I durchgeführt werden, die ebenfalls zur Reich-Gruppe gehört.
In einem am 06. November 2020 von der Gesellschaft veröffentlichten Newsletter heißt es, dass
derzeit (…) Verhandlungen mit verschiedenen Brennereianlagenherstellern geführt [werden]. Die Auftragsvergabe ist innerhalb der nächsten 4 Wochen geplant.
Das Vorhaben sei “öffentlich-rechtlich unzulässig”, denn:
Für das bereits begonnene Bauvorhaben wurde kein Antrag auf Baugenehmigung gestellt. Das Vorhaben ist aller Voraussicht nach auch nicht genehmigungsfähig, da es sich auf dem Karwendel in 2.244 Metern Höhe in einem Natur- und Vogelschutzgebiet befindet.
Es erscheint auch schwer vorstellbar, wie die für den Betrieb einer Brauerei und Brennerei erforderlichen Wassermengen auf dem Karwendel beschafft und ordnungsgemäß entsorgt werden könnten. Darüber hinaus wären Aspekte des Immissionsschutzes zu beachten und brandschutzrechtliche sowie lebensmittelrechtliche Fragen zu klären.
Punkt 2: Zweitens will die Karwendelbahn AG den amtierenden Vorstand Wolfgang Wilhelm Reich „”m Zusammenhang mit dem Transport und dem baurechtswidrigen Aufstellen eines Mobile-Homes an der Talstation der Karwendelbahn” in Regress nehmen.
Für das am 2. September 2020 per Schwertransport von von Giengen an der Brenz nach Mittenwald angelieferte 8 Tonnen schwere Mobile Haus war kein eine Bauantrag gestellt worden. Außerdem steht das Haus außerhalb jedweden Baulandes und wäre allein deshalb gar nicht genehmigungsfähig.
Punkt 3: Drittens hatte die Hauptversammlung vom 18. Dezember 2020 beschlossen: “Wegen des Stellens von offensichtlich aussichtslosen Bauanträgen” sollen weitere Schadenersatzansprüche gegen aktuelle und frühere Vorstände geltend gemacht werden.
Diese Schadensersatzansprüche der Gesellschaft Karwendelbahn AG richten sich gemäß § 93 Abs. 2 des Aktiengesetzes nun gegen
den amtierenden Vorstand Wolfgang Wilhelm Reich,
den laut Handelsregister ehemalign Vorstand der Gesellschaft Patrick Kenntner und
den ehemaligen Vorstand der Gesellschaft Steffen Saur.
Die Ansprüche solen sich daraus ergeben,
dass die Gesellschaft in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt fünf Bauanträge bei der zuständigen Baubehörde, dem Landratsamt Garmisch-Partenkirchen.
Am 15. Januar 2019 stellte der damalige Karwendelbahn AG-Vorstand Patrick Kenntner beim Markt Mittenwald ein Antrag auf Baugenehmigung für den Neubau eines Doppelhauses mit einer Wohnfläche von insgesamt 263 qm und voraussichtlichen Kosten von 462.000 ein – ausschließlich zu Wohnzwecken, Aktenzeichen B-2019-51 – obwohl dort nur Park- und Spielflächen zulässig sind.
Am 27. Februar 2019 stellte Patrick Kenntner beim Markt Mittenwald ein Antrag auf Baugenehmigung für den Neubau eines Doppelhauses mit einer Wohnfläche von insgesamt 260 qm und einer Hofüberdachung mit 147 qm und voraussichtlichen Kosten von 593.000 Euro ein – zu Beherbungszwecken, Aktenzeichen B-2019-111, obwohl zuvor bereits ein gleichgerichteter Antrag auf Baugenehmigung vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen mit Bescheid vom 03. August 2017 (Az. 31-B-2016-272) abgelehnt worden war und ein Wohngebäude zu Beherbergungszwecken sowie ein überdachter Hof vom örtlichen Bebauungsplan nicht gedeckt oder erlaubt sind.
Am 09. Juli 2019 ging beim Markt Mittenwald ein Antrag auf Baugenehmigung für einen Anbau an die bestehende Talstation der Karwendelbahn ein. Der Anbau soll drei Geschosse aufweisen. Im Erdgeschoss soll unter anderem eine Wohnung entstehen, im Obergeschoss neben einer Dachterrasse zusammen mit Räumen der Bestandsbebauung insgesamt drei Wohneinheiten, Aktenzeichen B-2019-201.
Das Vorhaben liegt im Bereich der Nutzungsschablone SO 1 zu dem Bebauungsplan Nr. 47. Diese Nutzungsschablone sieht mit Ausnahme einer bereits vorhandenen Wohnung für den technischen Betriebsleiter der Karwendelbahn keine Wohnnutzung vor, so dass der Bau von insgesamt drei neuen Wohnungen laut dem Baugesuch offensichtlich gegen den Bebauungsplan verstößt. Gleiches gilt für das vorgesehene Flachdach, das der Festsetzung der baulichen Gestaltung mit Satteldächern widerspricht.
Am 12. Juni 2019 stellte der damalige Vorstand Steffen Saur beim Markt Mittenwald ein Antrag auf Baugenehmigung für den Anbau von zwei Balkonen mit voraussichtlichen Gesamtkosten von 25.000 ein. Dieser Antrag wird gegenwärtig beim Landratsamt Garmisch-Partenkirchen bearbeitet, Aktenzeichen B-2019-206.
Aus den Planzeichnungen geht hervor, dass der Balkon 1 mit zirka der Hälfte seiner Fläche auf gemeindliches Gebiet ragt. Eine Zustimmung zum Überbau des Flurstücks 2835 wurde von der Gemeinde nicht eingeholt. Daher war das Vorhaben von Anfang an offensichtlich rechtswidrig.
Am 02. Juli 2020 reichte der amtierende Vorstand Wolfgang Wilhelm Reich beim Markt Mittenwald ein Antrag auf Baugenehmigung für den Neubau von fünf Reihenhäusern mit einer Wohnfläche von insgesamt 606,5 qm und voraussichtlichen Gesamtkosten von 1,225 Millionen Euro ein – zu Wohnzwecken, Aktenzeichen B-2020-192, obwohl für diesen Bereich nur Park- und Spielflächen zulässig sind.
Unabhängig davon wurde dieses Baugesuch mit Bescheid vom 10. September 2020 vom Landratsamt Garmisch-Partenkirchen zurückgewiesen, weil die Unterlagen für einen förmlichen Antrag nicht innerhalb der gesetzten Frist beigebracht wurden und die fehlenden Unterlagen nach der Bauvorlagenverordnung nicht ergänzt worden sind. Insoweit habe schon kein förmlicher Bauantrag vorgelegen, der hätte beschieden werden können.
In allen fünf Fällen sind Kosten angefallen:
Die Planungsunterlagen erstellte jedes Mal das Architekturbüro Uwe Richter aus 89551 Königsbronn.
Die Schäden bestehen insbesondere in der Vergütung von Dipl.-Ing. Uwe Richter sowie bereits erlassenen und noch zu erlassenden Kosten- und Gebührenbescheiden des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen.
Missachtung einer Veränderungssperre?
Alle Anträge waren außerdem deshalb wohl aussichtslos, weil die Bauanträge ein Gebiet betrafen, für das die Marktgemeinde Mittenwald in Vorbereitung des heute geltenden Bebauungsplanes bis dahin eine Veränderungssperre verhängt hatte.
Die Karwendelbahn AG hat gegen die Veränderungssperre betreffend dem Bebauungsplan der Marktgemeinde Mittenwald Nr. 47 “Im Schwarzenfeld / Alpenkorpsstraße” (Sondergebiet Berg- und Wintersport) vom 09. Juli 2019 ein Normenkontrollverfahren angestrengt.
Dieses war beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erfolglos (Az. BayVG 1 N 17.1236). Die Karwendelbahn AG hat dagegen Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erhoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2020 (Az. BVerwG 4 BN 9.20 – VGH 1 N 17.1236) wurde die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Das Normenkontrollverfahren betreffend den Bebauungsplan Nr. 47 wird voraussichtlich 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verhandelt.
Punkt 4. Viertens hatte die Hauptversammlung am 18. Dezember 2020 auch noch beschlossen alle drei bisherigen Vorstände schließlich “im Zusammenhang mit einem auf Gemeindegrund ragenden Balkonüberbau an der Talstation der Karwendelbahn” in Regress zu nehmen.
Im Juni/Juli 2016 wurde trotz sofortigen Widerspruchs des Markt Mittenwald während der Bauphase ein Balkon auf das Flurstück 2385 der Gemeinde überbaut.
Im Anschluss wurde ein Rechtsstreit geführt, der zu einer Verurteilung der Karwendelbahn AG zur Beseitigung des Überbaus führte (AG Garmisch-Partenkirchen, Urteil vom 29.10.2018, 6 C 414/16). Die Berufung der Karwendelbahn-Aktiengesellschaft gegen dieses Urteil wurde im Beschlusswege als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen (LG München II, Beschluss vom 6.11.2019, 8 S 4396/18).
Trotzdem baute die Karwendelbahn AG den Balkon nicht freiwillig zurück, sondern provoziert eine kostenträchtige Zwangsvollstreckung. Der Vorgang liegt in einem Zeitraum, in dem Herr Patrick Kenntner, Herr Steffen Saur und Herr Wolfgang Wilhelm Reich Vorstände waren bzw. es (wieder) sind.
In der Begründung des Regress-Beschlusses heißt es:
Durch dieses pflichtwidrige Verhalten haben die Vorstände der Gesellschaft Schäden, insbesondere in Form der nutzlos aufgewandten Errichtungs- und Rückbaukosten sowie Rechtsanwaltskosten im Gerichtsverfahren verursacht.
Entsprechende Schadensersatzforderungen sollen von einem Besonderen Vertreter durchgesetzt werden, dem die Karwendelbahn AG nun einen Stundensatz von 300 Euro plus Spesen bezahlen will. Außerdem einen Vorschuss von 10.000 Euro.
Die Hauptversammlung bestellte als Besonderen Vertreter Rechtsanwalt Sascha Borowski von der Buchalik Brömmekamp Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Düsseldorf. Sollte der sein Amt nicht annehmen können oder wegfallen, wird ersatzweise Herr Rechtsanwalt Andre Klupsch aus Krefeld bestellt.
Für die Hauptversammlung am 18. Dezember 2020, auf der die Geltendmachung von all dieser vier Regressforderungen gegen die Reich-Gruppe beschlossen wurde, die sich über neun Stunden hinzog und die virtuell an die Aktionäre übertragen wurde, hatte das OLG München in zweiter Instanz einen neutralen Versammlungsleiter, einen Rechtsanwalt aus München, bestimmen müssen.
Ein Aktionär berichtete GoMoPa, wie die vier Regress-Beschlüsse gegen die Reich-Gruppe zustande kamen:
Der größte Teil der Tagesordnungspunkte wurde schließlich vom Versammlungsleiter abgesetzt, weil es an einem Notar für diese fehlte.
Die restlichen Tagesordnungspunkte des Vorstands (Entlastungsbeschlüsse) wurden von diesem zurückgezogen.
Es verblieben die ergänzten TOPs des Marktes Mittenwald, die auf Schadenersatz vom Vorstand abzielen und über die schließlich abgestimmt wurde.
Nach der Abstimmung gab es noch eine Diskussion zwischen Vorstand Reich und dem Versammlungsleiter über die Stimmverbote. Die Meldung der Konsortium, sie habe nicht mehr über 25% an der Karwendelbahn, dürfte damit zusammenhängen, dass ein für die Konsortium AG zu erwartendes Stimmverbot in eigener Sache von den Reichs vermieden werden sollte.
Das ist aber nicht im erforderlichen Umfang gelungen, so dass die Anträge des Marktes Mittenwald bezüglich Geltendmachung von Schadenersatz gegen die Mitglieder der Reich-Gruppe mehrheitlich beschlossen wurden.
In den kommenden Monaten und Jahren beabsichtigt der amtierende Vorstand Wolfgang Wilhelm Reich aus Mitteln der Karwendelbahn AG weitere Investitionen vorzunehmen, insbesondere in die Berggaststätte und auch in weitere Ferienwohnungen. “Mit unseren Ferienwohnungen erzielen wir Renditen von bis zu 15 % pro Jahr”, verspricht der Vorstand auf der Investorenseite. Nun denn…