Das ging schnell. Dr. Markus Braun (50), Ex-Chef des Aschheimer Zahlungsabwicklers Wirecard AG, musste nur eine Nacht hinter Gittern verbringen. Und nur wenige Minuten, nachdem eine Münchener Amtsrichterin am gestrigen Dienstagnachmittag (23. Juni 2020) eine Kaution in Höhe von 5 Millionen Euro verhängt hatte, ging das Geld auch schon auf dem Konto der bayerischen Landesjustizkasse ein.
Oberstaatsanwältin Anne Leiding, Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München I, die gegen Dr. Braun wegen des Verdachts der unrichtigen Darstellung jeweils in Tateinheit mit Marktmanipulation in mehreren Fällen ermittelt, teilte am heutigen Vormittag mit:
Soeben konnte ich in Erfahrung bringen, dass der Beschuldigte Dr. Braun gestern Nachmittag aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, nachdem eine Zahlungsbestätigung in Höhe der vollständigen Sicherheitsleistung von 5 Millionen Euro von der Landesjustizkasse bei Gericht eingegangen ist.
Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hat noch vor seinem öffentlichen Rücktritt einen Großteil seiner Aktien des skandalgeschüttelten Dax-Konzerns verkauft. In mehreren Verkäufen am Donnerstag und Freitag hat er mit dem Verkauf von 5,4 Millionen Aktien run 155 Millionen Euro erlöst. Dies geht aus mehreren adhoc-Mitteilungen hervor, die Wirecard am gestrigen Dienstagabend veröffentlichte.
Braun war bis dahin größter Einzelinvestor von Wirecard und hielt 7,07 Prozent aller Aktien. Somit lagen rund 8,7 Millionen Papiere in seinem Depot. Bekannt ist aber auch, dass Braun einen Kredit bei der Deutschen Bank aufgenommen hat, für den er rund 4 Millionen Aktien aus seinem Vermögen verpfändet hat.
Zur Begründung, warum Dr. Braun überhaupt verhaftet wurde, hatte die Oberstaatsanwältin gestern ausgeführt:
Besonders im Fokus der hinsichtlich dieses Tatvorwurfs erst seit wenigen Tagen laufenden Ermittlungen stehen angebliche Bankguthaben auf Treuhandkonten bei zwei philippinischen Banken in Höhe von mehr als 1,9 Milliarden Euro.
Der restliche Vorstand des Zahlungsdiensteabwicklers Wirecard hat in der Nacht von Sonntag auf Montag gegen 3.00 Uhr früh in einer adhoc-Mitteilung erklärt, dass diese Bankguthaben “mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen”.
Wegen dieser adhoc-Mitteilung hat die deutsche Finanzmarktaufsicht BaFin am Dienstag, dem 23. Juni 2020, eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Marktmanipulation gestellt.
Eine BaFin-Sprecherin sagte gestern gegenüber REUTERS:
Wir haben heute eine Nachtrags-Anzeige bei der Staatsanwaltschaft München I wegen des Verdachts der Marktmanipulation erstattet.
Die adhoc-Mitteilung der Wirecard AG vom 22. Juni 2020 verstärkt den Verdacht, dass die bilanzielle Darstellung zu Umsatzerlösen und Vermögensgegenständen in den Geschäftsberichten (zum 31.12.2016, 31.12.2017 und 31.12.2018) unrichtig war.
Am Donnerstag, 18. Juni 2020 (ein Tag vor seinem Rücktritt), hatte CEO Dr. Braun den für das Tagesgeschäft zuständigen Wirecard-Vorstand Österreicher Jan Marsalek (40) aus München bis zum 30. Juni 2020 freistellen lassen. Der Aufsichtsrat der Wirecard AG hat heute Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung abberufen und seinen Anstellungsvertrag außerordentlich gekündigt.
Marsalek flog angeblich auf die Philippinen, wo er bis heute die 1,9 Milliarden Euro suchen würde, die auf Treuhandkonten bei zwei philippinischen Banken liegen sollten, wie GoMoPa berichtete. Die Süddeutsche Zeitung zitierte “Freunde” des Managers, die “erzählen”, Marsalek wolle “Dokumente besorgen, die zur Aufklärung des Falles beitragen könnten.”
Die Spur des Geldes führt zu einem philippinischen Anwalt, den der deutsche Dax-Konzern als Treuhänder einsetzte.
Wirecard hatte den 39 Jahre alten Juristen Mark Tolentino den Buchprüfern als Treuhänder von Konten über 1,9 Milliarden Euro vorgeführt.
Doch dieser Treuhänder Mark Tolentino, der in seiner Heimat bestens vernetzt ist, fühlt sich hereingelegt und sieht sich selbst als Opfer.
Auf den Konten, die er eröffnet hatte, seien nur sehr kleine Summen deponiert gewesen.
Er behauptete am gestrigen Dienstag (23. Juni 2020) öffentlich gegenüber dem philippinischen Nachrichtenportal Rappler.com:
Das Geld auf den Konten reichte gerade einmal für ein I-Phone.
Zu “Rappler” sagte Tolentino, dass er Anfang Februar dieses Jahres gefragt worden sei, ob er als Treuhänder auftreten könne. Damals sei eine Gruppe aus Ausländern und einem philippinischen Staatsangehörigen auf ihn zugekommen.
Diese Personen hätten sich erkundigt, wie man auf den Philippinen ein Fintech-Unternehmen gründen könne, und ihn dann gebeten, als Treuhänder des Unternehmens zu fungieren. Er habe eingewilligt, einen formellen Vertrag habe es aber nicht gegeben.
Bei den Personen, die den Kontakt mit ihm aufnahmen, handelte es sich nach Tolentinos Darstellung nicht um Mitarbeiter von Wirecard selbst, sondern um Vertreter des Unternehmens Citadelle aus Singapur.
Citadelle war jahrelang der Treuhänder der angeblichen Wirecard-Milliarden in Asien. Nach Beginn der Wirecard-Sonderprüfung durch KPMG im vergangenen Jahr seien die Geschäftsbeziehungen mit Citadelle aber Ende 2019 beendet worden, teilte Wirecard den KPMG-Prüfern mit.
Aber auch Wirecard sieht sich als Opfer und hat Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet: