Erst stand die Vonovia SE, Deutschlands größter privater Vermieter, aus Bochum in der Kritik und in Bremen vor Gericht (Prozess verloren), weil der DAX-Konzern (ihm gehören 355.000 Wohnungen deutschlandweit) gern mal Modernisierung mit Sanierung verwechselt haben soll, wie GoMoPa berichtete.
Vonovia SE bezahlt Modernisierungen über Umlagen komplett der Mieter. Sanierungen der Vermieter.
Nun steht die Vonovia SE wieder in der Kritik und stand deswegen bereits in Dresden vor Gericht (Prozesse verloren), weil der Konzern sich an Nebenkosten bereichert haben soll.
Katrin Kroupova, Sprecherin des Mietervereins Dresden und Umgebung e.V., sagte dem staatlichen Fernsehsender mdr am 1. April 2021:
Neben den Hausmeisterdiensten und der Hausreinigung sind auch der Winterdienst und die Pflege der Außenanlagen betroffen. Da die Kosten nicht nachgewiesen werden können, erwarten wir, dass nun entsprechend die Miete gekürzt wird.
Mieter klagen immer wieder über nicht transparente Nebenkostenabrechnungen.
In Dresden prüften Vonovia-Mieter die Größe ihres der Abrechnung zugrunde liegenden Außengeländes.
Mieter Dietmar Leuthold sagte im heute ausgestrahlten mdr-Magazin Brisant:
Bei uns im Haus geht es um falsch umgelegte Nebenkostenabrechnungen.
Und da wird mit folgenden Tricks gearbeitet. Einmal werden die Außenanlagen mit einer erhöhten Fläche, also mit mehr Fläche, angesetzt, als vorhanden ist.
Immer wieder seien Posten auf den Abrechnungen für ihn nicht nachvollziehbar.
Etwa ein Posten zur Laubentfernung.
Mieter Leuthold:
24. Dezember 2016. Das ist Heiligabend. Und dieser Heiligabend war ein einem Sonnabend.
Das war wahrscheinlich der Weihnachtsmann, der für uns gearbeitet hat.
Um eine korrekte und nachvollziehbare Betriebskostenabrechnung zu erhalten, hat Dietmar Leuthold die Vonovia SE verklagt.
Das Amtsgericht Dresden bestätigte mit seiner Entscheidung vom 28. Januar 2021 im Verfahren Az. 142 C 3017/20 (rechtskräftig) auch die Rechtsauffassung des Mietervereins Dresden und Umgebung e.V., dass ein Vermieter grundsätzlich keinen Gewinn aus Betriebskosten generieren darf.
Viele Dienstleistungen werden in der Regel durch Tochterfirmen, die eng mit dem Mutterkonzern verflochten sind, abgerechnet, die tatsächliche Arbeit erbringen jedoch andere Firmen – Subunternehmen. Das Gericht gestand den Mietern deshalb den Anspruch auf Belegeinsicht zu.
Der Mieterverein Dresden und Umgebung e.V. erreichte bereits, dass die Stromkosten, die nicht nur Beleuchtungskosten beinhalten, korrigiert wurden und bis zu 50 % der Kosten erstattet wurden. Im Einzelfall waren das für vier Jahre mehr als 500 Euro.
Erreicht wurde durch den Mieterverein auch, dass Heizkostenabrechnungen, bei denen die Energiemenge für die Warmwassererwärmung entgegen der Vorschriften der Heizkostenverordnung nach einer Formel geschätzt wurden und nicht mittels eines Wärmemengenzählers gemessen, durch die Vonovia um 15 % gekürzt wurden. Das Amts- und Landgericht Dresden bestätigten in mehreren Verfahren auch gegen andere Vermieter dieses Kürzungsrecht für Mieter. Auch hier betragen die Kürzungen für drei Jahre zum Teil mehr als 600 Euro.
Sogenannte sonstige Kosten, unter den sich beispielsweise die Reinigung der Dachrinne verbirgt, standen zwar in der Abrechnung, waren aber gar nicht umlagefähig. Bis zu 80 Euro im Jahr konnten Mieter daher nach Angaben des Mietervereins zurückfordern.
Vonovia-Pressesprecher Matthias Wulff meinte dazu gegenüber dem mdr:
Fehler in Abrechnungen passieren leider, obwohl wir dabei besser werden und immer weniger Fehler machen. Zur Illustration: von rund 700.000 Abrechnungen zu Heiz- und Betriebskosten führten solche Klärungen zu rund 5.000 Erstattungen (Zahlen von 2019).
Der Konzern kann Gewinne bei Hausreinigung nicht ausschließen.
Am 18. März 2021 bestätigte in einem ersten Urteil auch das Landgericht Dresden (Az. 4 S 271/20) den Anspruch auf Belegeinsicht in alle Rechnungen und Leistungsverzeichnisse für das von der Tochtergesellschaft Vonovia Wohnumfeld GmbH beauftragte Subunternehmen für die Betriebskostenabrechnung 2016/2017.
Das Pikante daran ist die Begründung: Laut Gericht muss Vonovia die Abrechnungen für den strittigen Zeitraum 2016/17 auch deshalb vorlegen, weil der Konzern in dem Verfahren nicht ausschließen konnte, dass bei der Hausreinigung Gewinne durch die Tochtergesellschaft erwirtschaftet werden.
Gegen diese Urteil wurde Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Viele Vonovia-Mieter hatten das schon länger befürchtet – spätestens nachdem 2016/17 die Kosten für den Winterdienst um bis zu 1.200 Prozent gestiegen waren.
Vonovia-Sprecher Matthias Wulff bestreitet das. Er sagte dem mdr:
Der Vermieter selber erzielt keine Gewinne mit Betriebskosten. Für die Dienstleister gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot – für externe wie auch interne Dienstleister.
Ob der Konzern gegen das Urteil in Revision geht, lässt er auf Anfrage offen. Gleiches gilt für die Frage, warum die Preislisten zum Beispiel bei den Hausmeistern fehlen.
Stattdessen sagte er:
Die Leistungen werden erbracht, korrekt dokumentiert und auch korrekt abgerechnet.
Doch Vonovia kann gar keine Belege vorweisen – kein Preisverzeichnis für Hausmeister.
Bereits bei der Vollstreckung aus einem anderen rechtskräftigen Urteil vor dem Amtsgericht Dresden (Aktenzeichen 143 C 4851/19) gegen die Vonovia SE mussten die Rechtsanwälte der Vonovia SE gegenüber dem Gewinner Dietmar Leuthold einräumen, der das Netzwerk Vonovia-Mieter Dresden gründete, wo die Vonovia SE 38.000 Wohnungen hat:
Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Es gibt keinen Dienstleistungsvertrag, in dem die Vergütungsvereinbarung mit einzelnen Preisen für einzelne Leistungen enthalten ist. Es besteht damit eine tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit.
Die Schuldnerin kann einen solchen Vertrag, wie die Gegenseite ihn wünscht, schlichtweg nicht vorlegen.
Mieter und Kläger Dietmar Leuthold fragt sich, wie die Vonovia SE dann überhaupt auf die Abrechungen kommt.
Wie geht Vonovia SE mit Beanstandungen und Rückfragen seitens seiner Mieter um?
Der Pressesprecher Matthias Wulff sagte gegenüber Brisant, alles laufe korrekt:
Wir machen diese Arbeiten ordentlich.
Die Leute vor Ort leisten diese Dienstleistungen. Sie rechnen sie ordentlich ab.
Es gibt super viele rechtliche Vorgaben dafür, wie man so was machen muss und worauf man achten muss.
Und im Ergebnis ist es auch so, es kann keiner nachweisen, dass es irgendwie falsch ist.
Abrechnungsärger mit System?
Während Vonovia Vorwürfe wie etwa die der Dresdner Mieter zurückweist, sehen Interessenvertretungen durchaus ein System hinter dem Abrechnungsärger.
Daniel Zimmermann vom Deutschen Mieterbund:
Ja, wir sprechen hier von einem System, weil es sich nicht bei den Problemen, die so bekannt geworden sind, die die meisten Mieterinnen und Mieter auch kennen mit Betriebskosten, mit Mieterhöhungen et cetera nicht um Einzelfälle handelt.
Vonovia-Mieter kämpfen jetzt deutschlandweit in einem Bündnis für transparente und realistische Betriebskostenabrechnungen.
Sie fordern gar, 100 Millionen Euro jährlich an die Mieter zurückzuzahlen. Das seien ihrer Meinung nach zu unrecht erwirtschaftete Gewinne.
Der Mieterverein Dresden und Umgebung e.V. ist zum Beispiel weiterhin überzeugt, dass in Dresden Kürzungen insbesondere bei der Position Hauswart/Objektbetreuer möglich und geboten sind.
In mehr als 1.000 Fällen laufen beim Mieterverein Widersprüche, die Abrechnungen ab 2016 betreffend, und es wurde nun die Vonovia zur Kürzung der Kosten aufgefordert.
Für alle Mieter gilt laut Mieterverein weiterhin nach dem Erhalt einer Betriebskostenabrechnung – prüfen, prüfen, nochmals prüfen.
Mietervereinssprecherin Kroupova sagte dem mdr:
Wer innerhalb von zwölf Monaten nicht in Widerspruch geht, muss die Abrechnung so wie sie ist akzeptieren.
Orientierungshilfe für die Plausibilität und Wirtschaftlichkeit bietet der Betriebskostenspiegel. Dieser wird vom Deutschen Mieterbund jährlich herausgegeben. Im Januar 2021 erschien der aktualisierte Spiegel mit Daten des Abrechnungsjahres 2018. Der Mieterverein übernimmt die Prüfung von Betriebs- und Heizkostenabrechnungen für Mieter im Rahmen einer Mitgliedschaft.
Zur virtuellen Hauptversammlung der Vonovia SE am 16. April 2021 in Bochum sagte CEO Rolf Buch (55) aus Gütersloh in einer Presseerklärung:
Es können sich alle auf Vonovia verlassen. Unsere Mieterinnen und Mieter. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Menschen unserer Gesellschaft. Und unsere Aktionärinnen und Aktionäre auch.
Dem Vorstand steht die Freude ins Gesicht geschrieben. 2020 konnte der Wohnungskonzern seinen Gewinn auf 1,3 Milliarden Euro steigern.
Vonovia schüttet für das Geschäftsjahr 2020 einen Gewinn von 1,69 Euro je Aktie aus. Im Vorjahresvergleich entspricht dies einer Steigerung von rund 8 %. Nun denn…