Der bekannteste Whistle Blower der Schweiz, Rudolf Elmer, muss sich derzeit vor Gericht wegen des Verdachts auf Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses und Urkundenfälschung verantworten. Der 59-Jährige soll in großem Stil Kundendaten der Privat Bank Julius Bär an Medien, Behörden und die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben haben. Jetzt droht dem ehemaligen Top-Manager eine Freiheitsstrafe von bis zu 42 Monaten.
Der Kampf um das mittlerweile löchrige Schweizer Bankgeheimnis geht in eine neue Runde. Im Gerichtsprozess, der gestern, am 9. Dezember 2014, eröffnet wurde, geht es um mehr als den Geheimnisverrat des ehemaligen Top-Bankers Elmer – verhandelt wird die Zukunft der Schweizer Banken, die seit Jahren unter Beschuss ausländischer Behörden stehen, das traditionsreiche Schweizer Bankgeheimnis aufzuweichen.
Prozessbeobachter befürchten, dass die Schweizer Justiz am Beispiel Rudolf Elmer ein Exempel statuieren will, das abschreckende Wirkung auf potentielle Nachahmer entfaltet. Und die Wahrscheinlichkeit auf eine Verurteilung mit empfindlichem Strafmaß – dem Ex-Banker drohen bis zu 3,5 Jahre Haft – ist hoch. Erst im November dieses Jahres hatte das Schweizer Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Strafen für die Verletzung des Bankgeheimnisses auf bis zu fünf Jahre erhöht. Hierdurch soll das Bankgeheimnis für Schweizer Kunden gestärkt und das Risiko auf Enthüllungen reduziert werden.
Rudolf Elmer war jahrelang ein loyaler Mitarbeiter von Julius Bär.
Rudolf Elmer ist alles andere als ein klassischer Revoluzzer. Ganz im Gegenteil: seit frühester Kindheit war der ehemalige Top-Manager dem Bankhaus Julius Bär eng verbunden. Seine Mutter war im Haushalt der Familie Bär tätig und sorgte dafür, dass der Sprössling mit 20 Jahren eine Ausbildung bei der Privatbank absolvierte, die heute zur Credit Suisse gehört.
Seine steile Karriere in der Bank begann Elmer 1987 als Buchprüfer der Julius Bär Bank in Zürich. Nur sieben Jahre später war der ehemalige Lehrling zum Topmanager aufgestiegen und wechselte zur Tochtergesellschaft auf den Cayman Islands.
Während seiner Zeit als Manager der Bank im karibischen Steuerparadies begann die Entfremdung zwischen Elmer und seinem Arbeitgeber.
Dem erfahrenen Buchprüfer beunruhigten vor allem die Steuervermeidungsansätze, die von Julius Bär vermögenden Privatkunden angedient wurden. Mehrfach hatte Elmer seine Bedenken, dass es sich um Beihilfe zur Steuervermeidung und Steuerhinterziehung handeln könnte, seinen Vorgesetzten offenbart, war aber auf taube Ohren gestoßen.
Anstatt die Bedenken des eigenen Buchprüfer ernst zu nehmen, machten sich die Julius Bär Entscheider auf den Cayman Islands auf die Suche nach undichten Stellen im Unternehmen. Auch Rudolf Elmer, der einer Dienstanweisung folgend täglich Sicherungskopien von Daten der Bank zu Hause aufbewahren sollte, geriet ins Visier der internen Ermittlungen. Nachdem er sich weigerte einen Lügendetektortest zu absolvieren, wurde der Top-Manager von der Bank, der er fast 15 Jahre seines Lebens geschenkt hatte, auf die Straße gesetzt.
Nach seiner Kündigung kehrte Rudolf Elmer nach Zürich zurück und begann die Daten, die er aus der Karibik mitgebracht hatte, genauer zu analysieren. Nach eigener Aussage habe er erkannt, dass die Bank “Steuervermeidung oder Schlimmeres” in einem derart großem Ausmaß betrieben hatte, die selbst einen Top-Manager des Hauses überraschen musste.
Die Wandlung von Rudolf Elmer vom loyalen Banker zum Whistle Blower setzte ein. Fast zwei Jahre lang versuchte Rudolf Elmer bei den Schweizer Behörden Gehör zu finden, musste aber feststellen, dass diese kaum Interesse an seinen Informationen zeigten.
2004 entschied sich der ehemalige Julius Bär Banker dann seinem Gewissen zu folgen und suchte den Kontakt zur Schweizer Presse. Doch die Reaktion war anders als erwartet. Anstelle einer intensiven Berichterstattung erhielt er eine Nachricht seines ehemaligen Arbeitgebers, der durch die Blume drohte: “Wir wissen, was Du tust!”