Vier Staatsanwälte und mehr als 100 Einsatzkräfte des Landeskriminalamtes Baden- Württemberg, des Polizeipräsidiums Konstanz und der örtlich zuständigen Polizeidienststellen anderer Bundesländer durchsuchten heute in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt Geschäftsräume des einst weltgrößten und seit 1995 an der Börse notierten Küchenherstellers ALNO AG aus Pfullendorf in Baden-Württemberg und bei sechs Tochtergesellschaften sowie mehrere Privatwohnungen nach beweiserheblichen Unterlagen und Datenträgern.
Die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart Staatsanwältin Melanie Rischke erläuterte gegenüber dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net:
Vor dem Hintergrund der Insolvenzen der ALNO AG und der drei Tochterunternehmen
(Gustav Wellmann GmbH & Co KG aus Enger in Ostwesfalen,
Pino Küchen GmbH aus Coswig in Sachsen-Anhalt sowie
ALNO Logistik&Service GmbH aus Pfullendorf
– Anmerkung der Redaktion)
im Oktober 2017 ermitteln die Staatsanwaltschaft Stuttgart und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg derzeit gegen insgesamt zwölf Personen wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung und des Betruges.
Bei den Beschuldigten handelt es sich um ehemalige Vorstände der ALNO AG bzw. aktive und ehemalige Geschäftsführer der Tochterunternehmen.
Der einstige langjährige Vorstandsvorsitzende der ALNO Aktiengesellschaft vom 6 April 2011 bis 11. August 2017 Max Müller (71, Vorstandsbezüge 2015: 1 Million Euro) fasste das Dilemma des Konzerns gegenüber dem Münchner Portal für Unternehmensanleihen BonGuide im Jahr 2014 so zusammen:
Permanente Strategie- und Vorstandswechsel haben dafür gesorgt, dass die ALNO fast in den Abgrund getrieben wurde.
Der Berliner Rechtsanwalt Christian-Albrecht Kurdum von der Kanzlei Dr. Späth & Partner Rechtsanwälte mbB aus Berlin Halensee kennt das Unternehmen seit dessen Börsengang und schätzte zur ALNO AG im selben Jahr grundsätzlich ein:
Die Firma hat zum Beispiel bei einem Schuldenberg von über 200 Millionen Euro kaum Risikopuffer, zudem belasten die Zinsaufwendungen stetig die Ergebnisse.
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. SdK aus München hatte die ALNO Aktiengesellschaft bereits in ihrem Schwarzbuch Börse 2011 als “ein Fass ohne Boden” bezeichnet.
Die ALNO-Finanzchefin Ipek Demirtas (51, Vorstandsbezüge 2015: 801.000 Euro) aus Überlingen in Baden-Württemberg saß seit Juli 2011 an der Seite von Max Müller. Sie trat am 11. Januar 2017 zurück.
Vertriebsvorstand Ralph Bestgen (53, Vorstandsbezüge 2015: 322.000 Euro) aus Hagen trat am 6. Oktober 2015 zurück.
Produktionsvorstand Manfred Scholz (54, Vorstandsbezüge 2015: 243.000 Euro) aus Rosenheim in Bayern verließ am 27. Februar 2015 das schwankende Schiff.
Auffällig: Trotz eines Jahresfelbetrages im Jahr 2015 von rund minus 4,4 Millionen Euro (Vorjahr rund minus 4,1 Millionen Euro) wurden im Jahr 2015 Rückstellungen für Pensionen in Höhe von rund 30,1 Millionen Euro (Vorjahr 28,5 Millionen Euro) gebildet, was das Eigenkapital des Konzerns in rund 30,6 Millionen Euro Miese (Vorjahr rund 28 Millionen Euro Miese) brachte.
Die im Februar 2016 gegründete Beteiligungsgesellschaft Tahoe Investors GmbH aus dem Zeilweg 44 in Frankfurt am Main unter Leitung von Mensur Sacirovic (40) aus Seevetal in Niedersachsen aus dem Unternehmensverbund Eastern Horizon Group Netherlands B.V. Amsterdam der bosnischen Familie um Kenan Hastor (38) aus Wolfsburg war mit 33,25 Prozent als Hauptaktionär von ALNO eingestiegen. Max Müller & Familie besaßen 6,19 Prozent. Der Rest war Streubesitz. Die Familie Hastor sieht sich heute von den ehemaligen Vorständen über die Leistungsfähigkeit des Küchenherstellers getäuscht.
Der Insolvenzverschleppungs- und Betrugsverdacht der ALNO AG nährt sich aus folgenden Erkenntnissen, zu denen der vom Amtsgericht Hechingen eingesetzte Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Professor Dr. Martin Hörmann aus Stuttgart gelangte: