Sie haben sich extra einen teuren Mähdrescher aus England gekauft, der die harten Hanfstengel (auch als Cannabis oder CBD Cannabidiol bekannt), die sie seit 2019 auf mittlerweile 300.000 Quadratmetern mit 5 Vertragslandwirten mitten in Deutschland im hessischen Fulda anbauen, auch zerschneiden kann.
Damit kamen sie letztes Jahr sogar ins öffentlich-rechtliche Fernsehen. Die Hessenschau berichtete.
Und für ihre Hanf-Produkte wie Krafttropfen-Mundöl mit 5 Prozent CBD für 30 Euro pro 450 Milligramm, Tee oder Badesalz gegen Migräne oder zur Beruhigung bei Angstzuständen haben sich die drei Gründer des Hanf-Startups green pioneers GmbH & Co. KG, Finanzchef und Medienfachwirt Marc Graf (31), CEO und Mediengestalter Philipp Gärtner (28) und Operativchef und Schreiner Kerim Viebrock (28), in diesem Jahr sogar für den hessischen Gründerpreis beworben, der unter der Schirmherrschaft von Hessens Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsidenten Tarek Al-Wazir (50, Bündnis 90/Die Grünen) steht.
Doch das alles beeeindruckte die Fuldaer Staatsanwaltschaft anscheinend wenig. Bei Produkten zum Herunterschlucken wie Mundaromaöl oder Tee kennt sie kein Pardon.
Am 28. April 2021 wurden die Räumlichkeiten der drei Jungunternehmer auf Antrag der Staatsanwaltschaft Fulda durchsucht. Den Produzenten von verschiedenen Produkten aus Naturhanf wird bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln vorgeworfen.
Doch CEO Philipp Gärtner wehrt sich und stellt klar:
Mit Drogen haben wir nichts am Hut.
Mit seinen Partnern Viebrock und Graf hat er das Unternehmen “Green Pioneers” 2018 in Fulda gegründet.
Auf ihr Erstprodukt, die Hanf-Krafttropfen für den Mund, haben sie extra draufgeschrieben:
Nicht zum Einnehmen.
Green Pioneers erläutert das in seinen FAQs so:
Obwohl wir in Anlehnung an Standards und Hygienebestimmungen aus der Lebensmittelindustrie produzieren, gibt es derzeit ein Verbot der EU-Kommision für “Novel Food”, dass CBD als Zusatz in Lebens- oder Nahrungsergänzungsmitteln verbietet.
Das bedeutet, dass wir unser CBD-Öl aktuell nur als sogenanntes ”Aromaprodukt” anbieten dürfen. Dadurch dürfen wir auch keine Verzehrempfehlung an unsere Kunden aussprechen.
Wie Dr. Christine Seban von der Staatsanwaltschaft Fulda auf Anfrage der Fuldaer Zeitung mitteilte, sind im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Fulda zwei Cannabis-Läden durchsucht worden.
Weitere Angaben zum Hergang des Einsatzes, zum Tatvorwurf oder gar ersten Ermittlungsergebnissen konnte Dr. Seban noch nicht machen:
Wir müssen zunächst einmal abwarten, was die weiteren Ermittlungen ergeben, bevor ich weitere Angaben machen kann.
Laut Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes fallen Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen selbst dann unter das Gesetz, wenn sie kein THC enthalten, also den rauschauslösenden Stoff.
Im vom Landgericht ausgestellten Durchsuchungsbeschluss heißt es:
Für das hiesige Ermittlungsverfahren bedeutet das, dass sich zumindest aus dem Verkauf der sogenannten “Hanftropfen” und des angebotenen Hanftees in beiden Varianten Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit nach dem Betäubungmittelgesetz begründen lassen.
Die Krafttropfen werden als “Kosmetikprodukt zur Anwendung auf der Mundschleimhaut” oder zur Anwendung auf der Haut angeboten. Das Landgericht argumentiert jedoch, dass ein Konsum als Lebensmittel nicht ausgeschlossen werden könne.
Die Untersuchung der beschlagnahmten Produkte dauere noch, teilte Dr. Seban, die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Fulda, weiter mit.
Der Durchsuchungsbeschluß sei bereits Anfang März 2021 unterschrieben worden, stattgefunden hat die Maßnahme dann aber erst am 28. April 2021.
Am 24. März 2021 wurde durch den Bundesgerichtshof ein Urteil zugunsten der Cannabiswirtschaft gefällt.
Danach seien CBD-Blüten aus Nutzhanf zwar ein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) dürfen jedoch unter Ausschluss von angenommenen Missbrauchspotentialen legal an Endverbraucher verkauft werden, heißt es auf der Website des Branchenverbands Cannabiswirtschaft.
Green Pioneers-CEO Philipp Gärtner sagte den Osthessen-News.de am 13. Mai 2021:
Die Durchsuchung wurde wohl ohne Berücksichtigung dieses Urteils durchgeführt
Gärtner weiter:
Wir haben nichts zu verstecken und sehen uns ganz klar im Recht. Wir hoffen, dass alles so schnell wie möglich geklärt werden kann.
Die Corona-Krise war für uns als Start-up sowieso schon nicht leicht. Wir haben uns gerade wieder durchgekämpft und waren guter Dinge.
Für das kosmetische Öl habe man sogar extra von einem kosmetischen Institut eine Studie zur Prüfung der Verkehrsverträglichkeit durchführen lassen.
Philipp Gärtner und seine Geschäftspartner fühlen sich zu Unrecht beschuldigt:
Wir lassen unsere Produkte ständig prüfen und achten darauf, dass wir alle rechtlichen Vorgaben einhalten.
Wir arbeiten gut mit den zuständigen Behörden zusammen, werden regelmäßig kontrolliert und bisher gab es nie etwas zu beanstanden.
Unter anderem wird das Unternehmen laut Gärtner regelmäßig von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, dem Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen, dem Regierungspräsidium Kassel sowie dem Landratsamt Fulda geprüft.
Der Vertrieb der Produkte falle unter eine Ausnahmeregel des Betäubungsmittelgesetzes, wonach der Verkauf von Cannabis-Pflanzenteilen legal ist, wenn sie aus Anbau in EU-Ländern mit zertifiziertem Saatgut stammen oder ihr THC-Gehalt 0,2 Prozent nicht übersteigt und der Vertrieb ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken diene.
Bei Green Pioneers-Produkten sei dies der Fall, so Gärtner. Schon allein deshalb sei ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen.
Die Rechtslage sei in der Branche teils noch etwas unklar und undurchsichtig, so die Anwälte der Green Pioneers.
Alle Produkte des Fuldaer Unternehmens werden mit weniger als 0,2 Prozent THC hergestellt. Denn dafür gebe es eine Ausnahmegenehmigung. Zudem wird ausschließlich Nutzhanf verwendet, der nach strengen EU-Richtlinien deklariert ist.
Ihre Produkte verkaufen die drei jungen Gründer in verschiedenen Einzelhandelsgeschäften, einen eigenen Ladenverkauf (außer Online) haben sie nicht.
Auch bei den Vertriebspartnern löst das Verfahren Unsicherheit aus. Philipp Gärtner berichtete:
Manche haben unserer Ware aus Angst aus dem Sortiment genommen. Zudem wurde ein Großteil unserer Produkte konfisziert. Das bedeutet einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für uns. Aufgrund der Lieferengpässe müssen wir nun ein Darlehen aufnehmen und nachproduzieren.
Es habe die drei sehr geschockt, so negativ in den Fokus zu geraten, “nur weil wir uns mit dem Thema Hanf auseinandersetzen und uns um eine nachhaltigere Welt bemühen.”
Denn Philipp Gärtner musste sich vor der Firmengründung Cannabisblüten auf dem Schwarzmarkt besorgen, um seine Migräne-Anfallschmerzen zu lindern, wie er der Hessenschau erzählte. Nun denn…