Erinnern Sie sich noch? Vor elf Jahren im Sommer 2007 ging der Rußfilter-Hersteller Twintec AG aus Königswinter in NRW an die Börse. Mit 11 Euro gestartet, lag der erste Kurs (Xetra) mit 14,10 Euro rund 28 Prozent über dem Platzierungspreis, wie der Finanznachrichtendienst GoMoPa.net berichtete. 2017 erhob die Twintec AG ihre Abgasnachrüstungssparte Baumot AG zur Speerspitze: Die Twintec AG wurde in Baumot Group AG umbenannt, “aus strategischen Gründen”.
Denn wenige Monate zuvor am 1. März 2007 war die Diesel-Plakettenverordnung in Kraft getreten. Zu jener Zeit fuhren etwa 9 Millionen Autos in Deutschland ohne Diesel-Filter.
Der damalige Firmenchef der Twintec AG, Edmund Schnürer (60) aus Windhagen in Rheinland-Pfalz, heizte den Aktienkurs mit markigen Sprüchen an:
Wir werden die Planungen deutlich übertreffen.
Analysten hätten für 2007 bei 100.000 verkauften Systemen und einem Umsatz in Höhe von 66 Millionen Euro ein EBIT von 8,8 Millionen Euro prognostiziert – dies sei scheinbar eine zu konservative Schätzung.
Die Experten würden davon ausgehen, dass TWINTEC im laufenden Turnus den operativen Gewinn auf mindestens 10 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr verdoppeln könne.
Edmund Schnürer trat im April 2011 als Vorstandsvorsitzender der Twintec AG und im Juni 2011 auch als Geschäftsführer der Twintec Technologie GmbH aus Königswinter zurück. Die Twintec AG schreibt wie ihre bilanziell mit rund minus 6,6 Millionen Euro (Stand 2016) überschuldete Tochter Twintec Technologie GmbH seit Jahren Millionenverluste. Die Twintec AG heißt inzwischen Baumot Group AG.
Morgenluft durch Diesel-Skandal?
Wegen der durch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA im Herbst 2015 aufgedeckten Diesel-Schummelsoftware von Bosch bei VW steht erneut eine Hardware-Nachrüstung bei allen großen Dieselmarken in Deutschland an.
Roger Kavena (34) aus Kirchberg, damals seit 2013 Finanz-Vorstand und Aktionär der Twintec AG, witterte Morgenluft, nutzte die Gunst der Stunde und übernahm 2015 mittels seiner Firma RMK Beteiligungen GmbH aus der Industriestrasse 13C im schweizerischen Zug das gesamte Twintec Aktienpaket vom bisherigen Hauptaktionär Centre Lane Partners aus New York in Höhe von 18.4 Millionen Aktien. Dies entsprach 53 Prozent der Aktien der Twintec AG. Damit hielt RMK gemeinsam mit der Familie Kavena 70 Prozent an der Twintec AG.
2016 stieß die Twintec AG die Katalysatoren-Sparte ab. Die Interkat Catalyst GmbH aus der Eduard-Rhein-Straße 25 in Königswinter wurde “im Rahmen der strategischen Fokussierung auf die Kernkompetenzen” an den bayerischen Privatinvestor Dr. Steffen Hauff (55) aus Weidenbach und seiner mittelfränkischen Weidestate Holding GmbH aus Rothenburg ob der Tauber verkauft. Dr. Hauff wurde zunächst Geschäftsführer der Interkat Catalyst GmbH, trat dann aber am 8. November 2016 als Geschäftsführer zurück.
Und es ist wie ein Deja-Vu:
Wieder heizt der Vorstand des Dieselabgas-Nachrüsters aus Königswinter den Aktienkurs mit markigen Sprüchen an. Und versäumt keine Gelegenheit, um auf das BNOx System zur Stickoxidreduzierung der Baumot Group AG zu verweisen, das aber für die betroffenen Dieselautos noch gar nicht produziert wird.
So brüstete sich Kavena am 5. März 2018 im Interview gegenüber dem Kapitalmarktberater GBC AG aus Augsburg:
Die Nachfrage nach unserem BNOx System ist in den vergangenen Monaten aufgrund der Dieseldebatte sehr stark angestiegen.
Wir erhalten täglich rund 300 Anrufe und 100 Emails mit Anfragen von Kunden. Darüber hinaus haben sich in den vergangenen 5 Monaten rund 15.000 betroffene Personen für unseren Newsletter angemeldet.
Ein Großteil der Anfragen zielt auf eine sofortige Nachrüstung mit dem BNOx System ab. Unabhängig von der Kostenübernahme durch Hersteller oder Staat.
Im gleichen Atemzug muss Roger Kavena, der zugleich seit 2013 als Vorstandsvorsitzender den Abgasnachrüst-Entwickler Baumot AG führt, aber auch zugeben:
Leider können wir jedoch noch keine Hardware-Nachrüstung anbieten, da hierzu die gesetzliche Grundlage noch fehlt.
Jedoch verkündete die Baumot Group AG in einer Presseerklärung am 12. März 2018:
Die Baumot Group AG (WKN A2DAM1), einer der führenden Anbieter im Bereich der Abgasnachbehandlung, hat die Entwicklungen des BNOx Systems zur Stickoxidreduktion bei Diesel-Pkw für die Seriennachrüstung des volumenstarken VW Passat erfolgreich abgeschlossen. Damit besteht bereits heute für einen der wichtigsten Diesel-Pkw in Deutschland eine Nachrüstlösung.
Weitere Entwicklungen sind für mehrere Volumenmodelle auch anderer Hersteller in Vorbereitung. Hierfür baut Baumot aktuell das eigene Team im Dortmunder Entwicklungszentrum weiter aus. Die Baumot Group rechnet damit, dass diese Systeme nach Vorliegen der Zulassungsrichtlinien in rund sechs Monaten ebenfalls für eine Nachrüstung in Serie bereitstehen können.
Marcus Hausser (45) aus Bad Vilbel in Hessen, Vorstandsvorsitzender der Baumot Group AG, ergänzte:
Entgegen vieler Behauptungen der Fahrzeughersteller zeigen wir in der Praxis, dass die Entwicklung von Seriensystemen mit überschaubarem Zeit- und Kostenaufwand möglich ist – unter anderem auch, weil wir auf langjährige Erfahrungen und erprobte Komponenten zurückgreifen können, die aus dem Massenmarkt stammen.
Die Produktion des fertig entwickelten Seriensystems für die volumenstarken Modelle könnten schätzungsweise bereits in einem halben Jahr beginnen.
Die Kosten einer möglichen Nachrüstung mit dem BNOx System seien mit 1.500 bis 3.000 Euro pro Auto geringer als der Wertverlust der Mehrzahl der betroffenen Autos bei einem Fahrverbot.
Der durch solche Nachrichten ausgelöste Nebenwerte-Hype (der Aktienkurs hat sich von 2016 von 50 Cent im Jahr 2016 auf heute 2,62 Euro mehr als verfünffacht) kann nicht über Roger Kavenas Finanzkapriolen hinwegtäuschen. Die Bewertung des Unternehmens mit aktuell rund 44 Millionen Euro Marktkapitalisierung hält Daniel Bauer von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. SdK aus München in den AnlegerPlus News, Pflichtblatt an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart, “für abenteuerlich hoch” und bezeichnet die Aktie der Baumot Group AG als “ein ganz heißes Eisen”.
Für diesen Eindruck hatte Roger Kavena selbst gesorgt: